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Gepäcke und Begleiter, in diesem unwirthbaren Lande uns sehr seltsam
Vorkommen musste. In seinen stummen Geberden lag der Ausdruck eines
Ungeheuern Schreckens, der seine Sinne verwirrt habe.. Genaue Beobachtung
und Combination der einzelnen Wo r te , die er, gleichsam im
Wahnsinne, fallen Hess, belehrten uns endlich, dass der Unglückliche, ein
Bürger von Bahia, auf einer Seereise nach Maranhao Schiftbruch gelitten,
und seine Frau vor sich in den Wellen habe untergehen, die Tochter aber
von • einem Haifische verschlingen sehen. Auf eine ihm selbst unbekannte
Weise hatte er sich von der Küste bis in diese Gegenden verloren.
Die entsetzliohe Erfahrung hatte seine Phantasie so tief ergriffen,
dass er uns bisweilen um Mitternacht durch ein erschütterndes Aufschreien
aus dem Schlafe weckte. Diese traurige Begleitung, welche w ir uns aus
Menschenliebe gefallen lassen mussten, war gleichsam diev Einleitung zu
dem unbeschreiblichen Elende, das w ir jetzt selbst, durch Steigerung unserer
Kränklichkeit, erfahren sollten. Am 16. Mai machte ich eine Sei-
tendigression in den benachbarten Urwald, wo ich an den Wänden eines
gelblichen Sandsteinfelsens dichte Beschläge von einem salzigen Stoffe beobachtete
, der sich bei chemischer Untersuchung als reich an Salpeter
zeigte, (vergl. Anmerkung 1. zum folgenden Kapitel); und ich war eben
bemüht, dem Fazendeiro in Coite, wo unser Bivouac. aufgeschlagen
w a r , zu bedeuten, dass er durch Bearbeitung dieses Stoffes sich eine
wichtige Erwerbsquelle eröffnen könnte, als ich den Eintritt eines heftigen
Fiebers bemerkte, das mich bald darauf fast besinnungslos niederwarf.
Ein Brechmittel ward vergeblich versucht, den Fieberanfall abzuschneiden.
Mit grosser Anstrengung setzte ich die Reise zu Pferde, im
beständigen Kampfe gegen das Fieber, noch zwei Tage lang, über die
Fazendas B uriti und S. P ed ro , bis zu der von Todos os Santos
fort. Die unangenehmsten Gefühle, heftige Vomituritionen und eine fast
tödtliche Schwäche zwangen mich, von Zeit zu Zeit abzusteigen, und,
wagerecht auf dem Boden ausgestreckt, zuvruhen. Zu gleicher Zeit erkrankte
auf ähnliche Weise einer unserer Diener, so dass w ir tfns in der
traurigen, von uns stets mit Bangigkeit vorausgesehenen, Nothwendigkeit
befanden, in dem letztgenannten Meierhofe liegen zu bleiben. Während der
Fieberanfälle war mein Kopf so verwirrt, dass Dr. Spix, welcher sich mit
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treuester Sorgfalt um mich bemühte, ein Nervenfieber befürchtete; es schien
jedoch, als wenn die hier genossene Ruhe der Krankheit eine andere Entwickelung
gegeben habe, denn nach einigen Tagen regelte sie sich als
ein auss^t^endes kaltes Fieber, welches mich nur am Abende, aber stets
mit Verwirrung de's Sensoriums und mit einer ungemeinen Schwäche befiel.
Nicht so günstig war der Gang der Krankheit bei dem Diener, welcher
in die fürchterlichsten Zuckungen, in Kinnbackenkrampf und Wahnsinn
verfiel, und, wahrscheinlich apoplektisch, am vierten Tage starb.
Um das Maas unserer Leiden voll zu machen, erkrankte auch mein treuer
Gefährte, indem sich, wenige Stunden nach einem Bade, das er in einem
seichten Teiche genommen hatte, sein ganzer Körper mit,schmerzhaften
Beulen bedeckte, die alsbald in Entzündung übergingen. - Unter diesen
Umständen schien es das Zweckmässigste, den zwischen feuchten Palmen-
wäldem gelegenen, ungesunden Ort zu verlassen, um so schnell als möglich
Cacfiias zu erreichen. Weil w ir zu kraftlos waren, um uns im Sattel
zu erhalten, wurden Negersclaven aus den benachbarten Höfen aufge-
boten, die uns in HÄigmatten auf Stangen weiter trugen. Unbeschreiblich
waren die Leiden der Seele, welche w ir auf diesem W ege, beide hülf-
los und unvermögend einander beizustehen, gequält von den bängsten Sorgen
um die Zukunft, für uns und die literarischen Ergebnisse unserer
Reise, und gepeinigt von körperlichen Schmerzen, erduldeten.
So erreichten wir, bei der Fazenda Sohradinho, den Rio Parnahy-ba
(Parnaiba) , den bedeutendsten Strom zwischen dem Rio de S. Francisco
und dem Tocantins, welcher in seinem ausgedehnten Verlaufe die Grenze
zwischen den Provinzen Piauhy- und Maranhao bildet. E r führt hier seine
gelblichen trüben Gewässer zwischen einem dichtbebuschten sanft ansteigenden
Ufer, in einer Breite von etwa zweihundert Fussen. Obgleich
von erdigen und faulen Stoffen stark verunreinigt, liefert er doch das ein-
zige Trinkwasser für die Anwohner, die deshalb häufig von kalten Fiebern
befallen werden. Auch unsere Dienerschaft, welche, um die Equipage
zu bewachen, nur eine Nacht am Ufer zubrachte, empfand sogleich die
schädliche Wirkung seiner Ausdünstungen. In den zahlreichen Höfen, die
längs seinen beiden Ufern aufwärts, weit gegen S .W ., errichtet sind,’ und
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