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nen, und diese haben sich an der Lagoa do Sal friedlich niedergelassen;
der grösste Theil derselben schweift aber noch unabhängig umher, und
die Fazendeiros haben das Recht, sich derjenigen von ihnen, welche sie
gefangen nehmen können, auf zehn Jahre als Sclaven zu bedienen oder
sie zu verkaufen. Diese Behändlungsweise stimmt mit den Principien überein,
welche zu Anfänge des laufenden Jahrhunderts gegen die menschenfressenden
Botocudos in Minas Geraës und Porto Seguro gesetzlich ausgesprochen
worden waren. Dieselben waren nämlich, wegen grausamer
Einfälle in die benachbarten Ansiedlungen, als Feinde des Staats, vogelfrei,
und bei Gefangennehmung als Sclaven erklärt worden, und, so wie
in Minas gegen die Botocudos, wurden in den Provinzen Goyaz, Piauhy
und Maranhäo zahlreiche Entradas gegen die feindlichen Indianer am Rio
Tocantins und Rio M earim unternommen, die man, mit dem allgemeinen
Namen Botocudos bezeichnend, auf gleiche Art als Sclaven hinwegführte.
Obgleich aber von einem portugiesischen Schriftsteller (Azeredo Coutinho,
Ensaio sobre o commercio de Portugal, S. 61. 67.} behauptet wird , dass
um das Jahr 1758 Horden der Botocudos durch die Coroados von Minas
Geraës aus bis an die Grenzen von Maranhäo seyen gejagt worden, so ist es
doch durch mehrere Berichte gewiss, dass die Entradas in den erwähnten
nördlichen Provinzen nicht sowohl diesen ursprünglichen Botocudos (den
ehemaligen Aym o r è s) , als vielen andern zahlreichen und kriegerischen
Stämmen, die zum Theil wie jene die Unterlippe und die Ohren zu durchbohren
pflegen, gegolten haben. Von den auf diese Weise gefangenen
Pimenteiras sahen w ir mehrere in Oeiras. Sie gehörten unter die stärksten
und gewandtesten Indianer, welche uns bis jetzt vorgekommen waren,
und hatten in ihren Gesichtszügen, so wie in ihrer, an Gaumenlauten
sehr reichen, Sprache, eine gewisse Freiheit und Festigkeit, die wir
an den aldeirten Indianern zu S. Gongalo Amarante vergeblich suchten.
Die hier Vorgefundenen Individuen gehörten zu den Stämmen der
Goguês (Gueguês) und Acroäs (Acro a ze s, Aruazes). Sie wurden uns
zugänglich durch Vermittelung ihres Vorstandes {Principal) Marcellino,
eines sehr alten, aber noch vollkommen rüstigen, Mannes, der nicht von
rein indianischer Abkunft zu seyn, sondern auch äthiopische Mischung
zu haben schien, und dem Zuge von Joäo do R ego gegen diese
Indianer beigewohnt hatte. Die. Gogues wohnten und wohnen noch zwischen
dem südlichsten Theile des Rio Parnahyba, dem Rio do Sommo
und dem Rio Tocantins (den sie Cötzschaubörd nennen). Bereits im
Jahre 1765 waren vierhundert derselben in einer Aldea, S. Joäo de Sen*
d e , neun Legoas nördlich von Oeira3, versammelt worden. Die Acroäs
wohnen nördlich von den vorigen, zwischen dem Rio das B a lsa s , dem
Parnahyba und dem Tocantins. Sie sind in zwei Horden, die Acroäs*
assü und mirim, die Grossen und Kleinen, getheilt, sprechen aber dieselbe
Sprache, welche von der der Gogues nur wenig verschieden ist. Die
Acroäs - mirim sind bis jetzt noch nicht unterjocht worden. Diese beiden
Stämme sind minder roh und kriegerisch, als ihre nördlichen Nachbarn,
die Timbiras {Imbiras, Embiras), eine durch den Sertäo von Maranhäo
weit verbreitete Nation. Nach den Berichten des alten Marcellino
bedienen sich diese Indianerstämme als Waffen des Bogens und der Pfeile,
die sie bisweilen vergiften. Sie ernähren sich von Jagd und Fischfang,
und sind dem Ackerbaue abgeneigt. Ueber den Tocantins setzen sie nicht
in Canots, deren Gebrauch ihnen fast unbekannt seyn soll, sondern in
Flössen aus den Stämmen der Buritfpalme. Sie sind keine Anthropopha-
gen, und ihre Kriegsgefangenen werden zur Sclavenarbeit verwendet.
Nach einer alten Sage dieser Indianer soll Gott am Anfänge der Dinge
ein hohes Haus gen Himmel gebauet haben, durch dessen Einsturz die
Verschiedenheit der Thiere und Nationen entstanden sey. M arcellino
behauptete ferner, dass sie eine, wenn auch undeutliche, Idee von einem
höchsten guten Wesen haben, das sie in Augenblicken der Noth und Gefahr
mit aufgehobenen und zusammenschlagenden Händen und in knieender
Stellung, oder auf den Boden hingeworfen, anrufen. Auch einen Teufel,
ein böses Princip, erkennen sie an. Es war mir unmöglich zu ermitteln,
in wie weit unser Berichterstatter in diese Darstellungen alttestamentarische
Vorstellungen einfliessen liess.
In*5 . Gongalo d?Amarante stiess einFussgänger zu uns, der bat,
die Reise nach Cachias im Geleite unserer Karavane machen zu
dürfen. Es war ein Mann, wie es schien, von rein europäischer Abkunft,
und von vorgerücktem Alter , dessen Erscheinung zu Fuss, ohne