Barra do Rio de Contas, gewöhnlich nur P^illa do Rio de Contas genannt.
Dieser Ort ist einer von den neueren an der Küste, der Schreiber
der Municipalität, bei dem w ir freundliche Herberge fanden, zeigte
uns die Stiftungsurkunde, vom 27. Jan. 1732, unterschrieben von der
Senhora Donataria, der damals noch bestehenden Capitariia dos llheos,
Donna A nna M aria d e A ttayde. Ungeachtet der guten Lage an einer
grossen Rhede, welche Grund für Schoner, Schmacks und andere kleine
Schiffe hat, und des fruchtbaren Bodens der Umgegend nimmt doch die Villa
verhältnissmässig nur langsam an Bevölkerung und Reichthum zu. Unser
Wirth, der sich als Escriväo da Camara *) zu einem Urtheile in Sachen
der Nationalökonomie berufen glaubte, klagte deshalb den Mangel an F ü r sorge
an, die Ansiedler mit wohlfeilen Sclaven zu versorgen;.^— seiner
Ansicht nach würde es im Interesse der Regierung liegen, diese arbeitenden
Kapitalien den Ankömmlingen aus Portugal gleichsam vorzuschiessen,
da diese ohnehin, als Weisse, das Vorrecht gemessen müssten, die Erde
nicht selbst zu bauen. E r bemühte sich, uns bis zur Evidenz zu beweisen,
dass die Einwohner auf Hunger und Fischfang beschränkt seyen, da
sie gemäss dem Buchstaben des Gesetzes: im Verhältniss zur Zahl der
Sclaven Land anzubauen, nicht Ackerbau treiben könnten, weil siekeine—
Sclaven hätten. Aehnliche Meinungen, die man in Brasilien oft aussprechen
hört, mögen die Stufe bezeichnen, auf der sich die Industrie und
das Bürgerthum befinden; sie erscheinen aber um so seltsamer, je häufiger
man sie neben unreifen demokratischen Ansichten vortragen hört. Der
R io de Contas hat hier eine bedeutende Breite, w ir brauchten in einem
Weinen Nachen eine halbe Viertelstunde, um das gegenseitige, nördliche
Ufer zu erreichen. Mehrere kleine Böte und ein nach Bahia bestimmter
Schoner lagen in der Mündung vor Anker. Diese Schiffe bringen etwas
Tabacl*, Speck, Leder und Häute aus den Gegenden am oberen Theile
des Rio de Contas nach der Hauptstadt , und nehmen dagegen die Be-
*). In dén Villas von Brasilien ist gemeiniglich der Escriväo die einzige Magistratsperson,
welche einige juridische Geschäftskenntniss besitzt, weshalb er auch oft die Notariats- und Pupillengeschäfte
-besorgt, und gewöhnlich für viele Jahre oder für das ganze Leben angestellt wird,
während die übrigen, der Thesoureiro, der Procurador da Camara, die drei Vereadorcs, und
der Juiz ordinario jährlich gewählt werden. Wenn zwei Juizes ordinarios vorhanden sind, so
wechseln sie monatlich im Dienste ab.
dürfnisse der Provinz zurück. Sie können jedoch nur einige Legoas aufwärts
schiffen, weil der Strom weiter gegen Westen Untiefen und Felsenriffe
mit kleinen Strömungen enthält. Nördlich von der Barra do
Rio de Contas dehnt sich bis nach der t^illa de IMarahu {Marda) eine
ebene Sandküste aus. Mit Tagesanbruch waren w ir hier; im Anblicke
eines herrlichen Sonnenaufganges wanderten w ir der Küste entlang, und
vergnügten uns, den Pulsschlag des Meeres zu beobachten, dessen siebente
und eilfte Welle uns höher anzuwogen schienen. Marahu. liegt an dem
südlichen Ufer eines, etwa eine halbe Legoa breiten Meerarmes, der sich
vom Norden aus der grossen Bai von Camamu herziehet, und gegen
Osten durch niedrige, zum Theii ganz öde Dünen {Restingas) eingeschlossen
wird. An der nördlichen, etwas erhöhten Spitze dieser Dünen,
der Ponta de Muttä der Seefahrer, war früher eine Weine, jetzt vernachlässigte
Befestigung errichtet worden. Die Villa, welche w ir nach
einigen Stunden Weg s erreichten, ist unbedeutend, und hat, obgleich mit
einer sehr fruchtbaren Umgebung gesegnet, dennoch in den letzten De-
cennien nur wenig an Bevölkerung zugenommen. Man zählt in ihrem
Kirchspiele, etwa sechzehnhundert Menschen, darunter ziemlich viele von
indianischer Abkunft. Die hier gebauten Wassermelonen sind wegen ihrer
Süssigkeit berühmt, und werden bis nach Bahia ausgeführt; ausserdem
bringt die Gegend Mandioccamehl, Reis, Bohnen, Mais hervor, und
sie ist wegen der grossen Feuchtheit des hiesigen Klima, wo vierzehn
Tage ohne Regen eine grosse Seltenheit sind, sehr geeignet für die Cul-
tur des Cacaobaumes. W ie M. F. da Camara berichtet*), war im Jahre
1780 der Ouvidor der Comarca, welcher damals in der benachbarten
y illa de Cayru. residirte, und zugleich die Aufsicht über die Schläge der
der Krone gehörigen Holzarten (Madeiras de L e y ) hatte , beauftragt
worden, den Anbau jenes nützlichen Baumes zu verbreiten, und es war
damit ein glücWicher Anfang gemacht worden; allein jetzt ist hievon fast
keine Spur mehr in den maritimen Villas der Gemarkung, und w ir fanden
hier, wie in Camamu., nur einige Stämme, deren gesundes Aussehen
allerdings die Zweckmässigkeit des Cacaobaues in diesen Gegenden
*) Ensaio de descripfäö fizica e economic^ da Comarca dos llheos, in den Mem. econom.
da Acad. R. das Sciencias de Lisboa. Vol. I. 1789. S. 316.