dér physischen Lebensbedürfnisse geboren, unter den Sclaven des Hauses
mit geringer Bildung erzogen, und im sicheren Besitze bereits erworbener
Güter, eher dem Genüsse als der Thätigkeit zuneigend, erkennt das
Uebergewicht des Eingewanderten 1 an, und überlässt ihm, mit einer gewissen
Scheu, die bereichernde Thätigkeit dés Handels, während er sich
auf seine Fazendas, in den Genuss eines glücklichen Wohlstandes zurückzieht
Obgleich FamilienbandeN den Portugiesen an den Brasilianer
knüpfen, bleibt dennoch die Verschiedenheit der Gesinnungen, der Kräfte
und Neigungen zurück, und da Europa alljährig neue Einwanderer nach-
sendet, so erhält sich die Spannung der Gemüther, bis irgend eine äussere
Veranlassung den schlummernden Saamen der Zwietracht wecket.
Der Betrachter menschlicher Schicksale verwundere sich nicht über diese
tragische Anlage in der Geschichte unsères Geschlechtes, wodurch Bruder gegen
Bruder, Sohn gegen Vater bewaffnet werden; sie ist die Mitgift der Eris,
welche ihren unheilbringenden Apfel selbst in den heiligen Raum des Brautgemaches
warf. — Eben so wenig aber als sich dieses Verhältniss in
dem vornehmeren Theile der Gesellschaft von S. L u iz der Beobachtungsgabe
des Reisenden entzieht, bleibt ihm ein Zug verborgen, welcher diese
Stadt auf das vortheilhafteste auszeichnet. Ich meine die feine und
würdevolle Haltung, den sicheren und gebildeten Ton der Gesellschaft.
Weder der grosse Reichthum vieler Einzelner und ihr Bestreben, europäische
Sitte nachzuahmen, noch der unverkennbare Einfluss zahlreicher
englischer und französischer Handelshäuser sind die einzigen Ursachen dieses
rühmlichen Umstandes; er ist vorzugsweise durch das freiere und anständige
Verhältniss hervorgerufen, in welchem hier das schöne Geschlecht
zu den Männern steht. Die Frauen in Maranhäo haben mit
dem Lobe der Sittsamkeit und häuslichen Tugend auch das eines durch
mancherlei Kenntnisse gezierten Geistes, und erscheinen, demgemäss, den
Männern gegenüber in einer würdevollen Selbstständigkeit, die ihnen
mehr und mehr das Recht verleiht,; so wie ihre Schwestern in Europa,
bestimmend auf die •Gesellschaft einzuwirken. Seit längerer Zeit schon
war es in Maranhäo Sitte, die Töchter wohlhabender Häuser in Portugal
erziehen zu lassen;.-^ die männliche Jugend erhält ihre Bildung nicht
selten auch in England und Frankreich. Man ist gewohnt, die Meinung
verbreitet zu hören, als sey das Klima dieser Stadt zu heiss, um sich daselbst
abstracten Studien hingeben zu können; und dieMaranhotten gönnen
ohne Zweifel den beiden Städten Ollinda und S. Paulo den Vorzug, Universitäten
zu erhalten, wie es, neuesten Nachrichten zu Folge, die brasi-
' lianische Regierung beschlössen haben soll. Es giebt übrigens hier ein
Gymnasium und einige Bürgerschulen. Um die Erziehung der weiblichen
Jugend machen sich die Nonnen vom' Orden des hl. Augustinus verdient,
welche keine Weihen erhalten, die drei klösterlichen Gelübde nicht able-
gen, und vom Kloster wieder in die Welt treten können.
So zahlreiche Aufschlüsse ich auch über manche statistische Verhältnisse
der Provinz Maranhäo erhalten konnte, so wenig genügend ist
das, was ich über den Stand der Bevölkerung zu erfahren Gelegenheit
hatte. Nach den Versicherungen mehrerer unterrichteter Personen ergab
sich aus den Pfarrlisten des Jahres 1819 eine Seelenzahl von 210,000,
während Hr. A jSr . B a l b i in brieflichen Mittheilungen die Zahl (im Jahre
1821-— 1822) auf 182,000, und Senh. P iza rr o auf 462,000 anschlägt(2.).
Die erste Zahl scheinet der Wahrheit am nächsten zu kommen. Der
waffenfähige, freie Theil dieser Bevölkerung bestehet in einem Linien-In-
fanterieregimente., n welches über die ganze Provinz^ auf mehrfachen
Wacht- und Streifposten, zerstreut ist , in einer Brigade Artillerie, in acht
Milizregimentern zuFuss, und einem, ebenfalls in der ganzen Provinz zerstreuten,
Milizregimente zuPferde. Die Stadt stellt ein Regiment weisser
und ein anderes farbiger Milizen, und überdiess, so wie die Villa de AI-
cantara, eine Compagnie von Volontärs zu Pferde. Die Ordenanzen sind
in dieser Provinz nicht selbstständig organisirt, indem die, seit 1757 bestehenden
, sogenannten Corpos auxiliäres .oder Ordenanzen, im Jahre
1796 zu Milizen erhoben worden waren. (G ayo zo a. a. O. S. i 55.)
5 . L u iz geniesst bei seiner Lage, nahe am Erdgleicher (20 29'),
ein wahres Aequatorialklima. Die Hitze würde hier fast unerträglich seyn,
wenn sie nicht durch den steten Wechsel des See- und des Landwindes
Viragäo und Vento Terral) gemildert würde. Nach den Beobachtungen
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