genheit zurückbrachten. Die wenigen Sertanejos, deren Wohnungen wir
auf dieser einsamen Reise betraten, unterhielten ebenfalls diese Gemüths-
stimmung durch ihr einfaches, treuherziges Wesen. 'Sie sind arm, doch
ohne Bedürfnisse, rauh von Sitten, aber gutmüthig. Ihren Hütten zogen
wir gewöhnlich ein Nachtquartier im freien Felde vor, wo w ir bisweilen
nicht einmal das angenehme und gesunde Wasser des Rio de S. Francisco
vermissten, wenn uns das Glück an eine reine, kühle Quelle führte.
Auf der dritten Tagereise erreichten w ir eine sehr ausgedehnte, unmerklich
ansteigende Ebene, ‘der^n engverwachsenes, zum Theile dürres
Gebüsche den Lastthieren nur langsam auf dem engen, gewundenen Pfade
fortzuschreiten erlaubte. Oefter als einmal mussten die Kisten abgenommen,
oder die Zwergbaume niedergehauen werden, zwischen denen
sie von den Thieren eingeklemmt worden waren. Zwei tafelförmige, fast
viereckigte, sich von S. nach N. erstreckende Berge erschienen gegen
Abend zu unserer Linken, gleich Inseln in dem grünen Meere, das uns
umgab. Unser Führer, ein rüstiger Pauliste, versicherte, dass auf ihnen
Diamanten gefunden worden seyen, und nannte sie Serra das Araras,
ein Name, den sie mit vielen andern Gebirgen in Brasilien theilet. Für
die geographische Kunde dieses Landes ist es vielleicht in mancher Hinsicht
ungünstig, dass die Ansiedler nur wenige, von den zerstreut wohnenden
oder herumziehenden Indianern herrührende Ortsnamen antrafen,
wodurch es gekommen ist, dass äusserst häufig verschiedenen Flüssen,
Gebirgen, Ortschaften und Meierhöfen dieselben Benennungen zu Theil
wurden. Die Namen mancher Heiligen kommen so oft vor, dass sie
kaum durch die mannichfachsten Epithete unterschieden werden können;
eben so häufig sind manche, sich auf örtliche Verhältnisse beziehende Namen,
wie Cachoeira (Wasserfall), Ipoeira (ein indianisches W o r t, welches
Teich bedeutet), Capäo (isolirter Waldstrich), IVFatto und Campo
(Wald und Flur) mit mancherlei Beinamen, Olho cCagoa (Quelle), Po-
göes (Wassertümpfel), Pedras (Gestein), Ribeiräo und Riachäo (Bach),
Pilar (Pfeiler), Bocaina und Boqueiräo (Schlucht), Escandinhas (Staffeln)
, L a g es (Steintafeln), Curral und Curralinho (Umzäunung), Retiro,
Tapera (Wechselhof, wohin die Heerden zu gewisser Zeit getrieben
y
werden); nóch ahdei*e, wie A fig ico * A/igelim, Joazëiro, Mungabeira,
Gamelleira, A roe ira, die von Bäumen, oder die, wie Curimatä, Pieta,
Capibarj' , A ra ra s , Inhumas von Thieren hergenommen sind. In andern
solchen Benennungen haben die Ansiedler die Gemüthsstimmungen
verewigt, unter denen sie sich hier niederliessen> wies Bom Fim (gutes
Ende), Bern posto (gut gestellt), B o a Morte (guter Tod), Sogego (Ruhe),
Sem Dente (ohne Zahn), F o g e Homens (Flieh1 den Menschen),
Arrependido (Reuig),, und sehr viele sind der Erinnerung an das Vaterland
geweihet, so dass man den Namen der meisten kleineren Orte Portugals
in Brasilien wiederfindet* Die Phantasie des Reisenden, der längere
Zeit hindurch nur den Spuren einer sparsam ausgesäeten Bevölkerung
begegnet, übernimmt es dann wohl, in solchen Andeutungen gleichsam
die Ueberschriften zu den verschiedenen Kapiteln in dem Buche menschlicher
Schicksale zu finden. Aus diesen Betrachtungen wurden w ir durch
einen Leichenzug gerissen, der uns von der zunächstliegenden Fazenda
de S . Domingos entgegenkam. Mehrere Reiter, in lange Mäntel gehüllt,
umgaben die Leiche, welche in einem grossen weissen Tuche von einer
Stange herabhing, die die Leidtragenden abwechselnd auf die Schultern
nahmen. Ein alter Mann, an der Spitze des Zuges, sprach bisweilen ein
Ave Maria, in das die Uebrigén halblaut einfielen. Es war ein Kind, das,
wie einer der Begleiter nicht ohne scheue Besorgniss mittheilte, bei der
Bereitung von Schiesspulver verunglückt war. Da diese Fabrikation den
Einzelnen ohne specielles Privilegium strenge verboten ist, so setzte sich
der gebeugte Vater einer gerichtlichen Strafe aus, indem er seinem Kinde
zu Salgado einen Platz in geweihter Erde verschaffte. So wurden wir
auch- hier daran erinnert, dass selbst in die unbefleckte einsame Natur
dem Menschen das Schicksal in seiner tragischen Gestalt nachfolgt.
Ausser diesem Abentheuer konnten w ir auf dieser einsamen Reise
unsere ungetheilte Aufmerksamkeit dem Einsammeln vieler seltenen Pflanzen
und der Jagd nach Tapiren, Ameisenfressern und Araras widmen.
Weite dürre Sandstrecken (Charnecas) nehmen zwei Reihen von Hügeln,
die Fortsetzungen der Serra das A ra ra s , ein, und zwischen und nach
ihnen erscheinen herrlich grünende Wiesen, aus denen sich zerstreute