kehr der Fluth vor Anker legten. Als die Sonne des 2 5. Julius am klaren
Horizonte aufstieg, beleuchtete sie um uns her ein Labyrinth von kleinen
und grösseren Eilanden, und im Hintergründe die Ufer des Continen-
tes und der gegenüberliegenden Jlha de JMarajö. Dicht, hoch und jugendlich
grün ragte rings um uns her der Wald empor, feierlich und
stille, als wäre jetzt erst diese einfach grosse Natur den schöpferischen
Gewässern entstiegen. Scherzende Fische, die eilig durch die Fluth
schwärmten, und buntes Gefieder auf den blüthenreichen Zweigen schienen
die einzigen Bewohner der grossen Einsamkeit; bis uns blaue Rauchsäulen,
aus der Tiefe des Waldgrüns aufsteigend, an den Herrn der Erde, den
Menschen, mahnten, der hier in glücklicher Abgeschiedenheit heimisch
geworden. Noch nie war uns die Schöpferkraft der mütterlichen Erde
so majestätisch entgegengetreten, als hier, wo in überschwenglicher Fülle
die Pflanzenwelt hervorquillt aus jeder Scholle Landes, die, vom Strahle
der Aequatorialsonne befruchtet, sich über das zeugende Gewässer erhebt.
Dieses Bild von der schaffenden Kraft des Planeten erneuerte sich fortdauernd
vor uns, in seiner einförmigen Grösse, je näher w ir der Stadt entgegenfuhren.
Da uns die Fluth nicht sehr begünstigte, so legten w ir uns gegen
Ende derselben nochmals vor Anker, um nicht auf eine der vielen Sandbänke
im Strome getrieben zu werden. Nach Mittag gelangten w ir zur
Ansicht der kleinen Befestigung, Forte da S e rra , im Flusse; und bald
darauf trat die Stadt Para mit ihren reinlichen Häusern, der Cathedrale und
dem Pallaste, zwischen dem dunklen Grün der Cacaopflanzungen und dem
glänzenden Waldsaum zahlreicher Inseln, hervor. Unmittelbar vom Schiffe
aus besuchten w ir S. E. den Generalgouverneur, Herrn C ond e d e V il l a
F l o r , der un3, nicht blos im Sinne der königlichen Empfehlungsschreiben,
sondern auch aus freier Neigung und literärischerTheilnahme, auf die gütigste
Weise bewillkommte, und während des langen Aufenthaltes in seiner
Provinz mit den schmeichelhaftesten Beweisen von Wohlwollen und Ver-
trauen beehrte. Auf seine Veranlassung bezogen w ir noch an demselben
Abende das anmuthige Landhaus des Coronel, Senhor A mbrosio H en r iq u e z ,
eine Viertelstunde von der Stadt, welches uns gastfreundlich eröffnet worden
war. So befanden w ir uns denn, nach mancherlei Drangsal und Gefahr,
in dem langersehnten Para. Eine heitere Befriedigung lag im Rückblicke
auf die Vergangenheit; ein fernes Ziel war erreicht; vom Wendekreise
bis zur Linie hatten w ir das reiche Land durchzogen, unseren Sinn erfüllt
mit den Wundern mannichfaltiger Anschauung. Die Gegenwart fand
uns am Erdgleicher, im Orte des Gleichgewichtes, der schönsten Harmonie
aller irdischen Weltkräfte; und wie die höchste Freude des Menschen
herüberstammt aus dem Reiche der Ahnungen und Ideen, so schwelgten
w ir im Hochgenüsse unaussprechlicher Gefühle, welche die erhabene
Heiligkeit des Ortes in uns erzeugte. Als wir, zum ersten Male hier erwacht,
die Läden unserer Wohnung aufstiessen, und die Sonne wie im
Triumphe am tiefblauen Aether emporstieg, und die Flur sich ihr im
glänzenden Thauschmucke entgegenbreitete, und das Säuseln der, vom
linden Westhauch bewegten, Palmen in das Loblied einstimmte, das in
lauten Tönen von bunten Vögelschaaren in die Lüfte getragen wurde: —
da fühlten w ir uns von der herrlichen Naturfeier erhoben, gekräftiget,
ge weihet zu fernerer That und höherem Genüsse! — W ie w ir , • in
solchen Gefühlen, uns auf den Fluthen des mächtigsten Stromes der Erde
in die unermessenen Wälder vertieften, worin der Urmensch America’s
in unveränderter Gewohnheit des angestammten Naturlebens waltet, soll
der folgende Theil dieses Berichtes erzählen.
Anmerkung zum fünften Kapitel.
( 1 . ) Indem ich des bis jetzt unbekannten Flussgebietes des Rio Tury gedenke, dürfte
es geeignet seyn, die wenigen Nachrichten beizubringen, welche ich über den ganzen grossen
Landstrich erhalten konnte, der sich zwischen dem Rio Mearim und dem Rio do Para
ausbreitet, und längs der Meeresküste und an den Ufern seiner bedeutenderen Flüsse spärlich
mit portugiesischen Ansiedlungen besetzt ist. Ich verdanke sie fast ausscldiesslich den Mittheilungen
eines Augenzeugen, . meines verehrten Freundes, Senhor Romualdo Antonio de Seixas,
Generalvicars von Gram Para. Dieses grosse Land liegt, seiner unglaublichen Fruchtbarkeit
ungeachtet, fast ganz öde, indem die schwache Bevölkerung der Provinz keine Veranlassung hat,
sich weiter gegen das Innere hin auszubreiten, so lange sie noch nahe an der Küste und an den
Mündungen der Hauptflüsse ausgedehnten Grundbesitz erlangen kann. Am stärksten sind die
Ufer des Rio Guamd mit Fazendas besetzt; und zwar besteht die Bevölkerung (in den Fregue-
zias de S. Domingos, do Porto Grande und da Villa de OuremJ gross tcnthcils aus Weissen,
welche sich von den portugiesischen Inseln hierher übersiedelt haben. Weniger zahlreich ist die
Population an dem Rio Capim in den Freguezias de S. Anna und de S. Bento, deren letztere fast
nur aus Indianern besteht Drei Legoas von der Meeresküste entfernt, am Rio Caite liegt &er