schnell, denn hier ist meines Bleibens nicht!“ E r zeigte an seinem Kör«
per, der einem Achilles hätte angehören können, eine Menge Hiebwunden
und die eckelhaften Folgen von Ausschweifungen, und begehrte mit
ungestümem Trotze und launigem Witze augenblickliche Hülfe. Das ausdrucksvolle
, schöngezeichnete Gesicht und die fast weisse Farbe verrie-
then einen Mulatten des letzten Grades von etwa dreissig Jahren. Wilde
Kühnheit, die jeder Widerstand zur Wuth entflammt, und ein Hang zu
vermessenen Ausschweifungen lagen im Ausdrucke dieses sonderbaren
Mannes. Noch nie war uns diese Vermischung einer edlen Natur und
solcher Verworfenheit begegnet. Da er'nicht Lust hatte, auf unsere ärztlichen
Fragen zu antworten, so verrichteten w ir , nachdem w ir uns vom
ersten Erstaunen erholt hatten, stillschweigend das aufgedrungene Geschäft,
bereiteten Arzneien aus unserer Reiseapotheke und verbanden ihn,
und kaum hatten w ir geendet, so war er mit den Worten: „ich danke,
■— Gott befohlen!“ — verschwunden; wir hörten, wie er im raschen
Galopp davoneilte, und blieben fast zweifelnd zurück, ob es Traum oder
Wahrheit gewesen. Unsere Diener lössten das Räthsel, indem sie von
mehreren Abentheuerem erzählten, welche enterbt oder verarmt, entweder
aus Verzweiflung oder au3 einem Hange nach wilden Unternehmungen,
sich in dem Sertäo vogelfrei umhertrieben, Ruchlosigkeiten jeder
A r t, bald im Dienste Anderer, bald zu eigener Genugthuung verübten,
und der Strafe der Gerechtigkeit oft; lange durch ihre genaue Kenntniss
des Landes und die Beihülfe von Veiwandten und Verbündeten entgingen'.
Ehe das Land bürgerliche Ordnung angenommen hatte, waren solche
Banditen (Falentoes) sehr häufig und das Werkzeug grässlicher Thaten,
die Ehrgeiz, Neid und Eifersucht begehen Hessen.'
Zwischen Caytete und dem nächsten grösseren Orte, der Filla
do Rio de Contas hatten w ir drei Tagereisen über ein sehr gebirgiges
Land zurückzulegen. W i r stiegen die östlich von Caytete gelegene, ebenfalls
aus Quarzschiefer bestehende Gebirgskette hinan, um uns sodann
wieder in die blattlosen" Catingaswälder zu vertiefen. Dass w ir , mit dem
Eintritte in diese Vegetätionsform sogleich wieder eine andere Gebirgsart,
nämlich einen grobkörnigen, und auf ihm häufig einen' feinkörnigen, äusserst
dichten und harten, im Bruche fast porphyrartigen, Granit fanden^
bestätigte die grosse Abhängigkeit der verschiedenen Pflanzengeschlechtef
von der Gesteinart. In der That ist es eine merkwürdige Erscheinung,
und verdient die Berücksichtigung späterer Beobachter, dass w ir auf einer
so ausgedehnten Reise eine Annäherung an die Eigentümlichkeiten der
Camposvegetation, wie sie sich namentlich im Hochlande von Minas darstellt,
in keiner Breite auf granitischem oder Kalkboden angetroffen haben.
Von der Höhe der aus Granit und Granitgneis bestehenden Berge, bei der
Fazenda Joazeiro, erblickten w ir in Osten die höheren Gebirgsketten,:
zwischen denen der Rio de Contas hinabströmt; auch sie sind grössten-
theils mit Catingaswaldung bedeckt. Da diese, jetzt fast von allem Grün
entblösste Vegetation den Lastthieren nur wenig Nahrung darbot, so
mussten w ir mit Furcht bemerken, dass der mitgenommene Vorräth an
Mais nicht genügte. Die Thiere verliefen sich während def Nacht, selbst,
wenn sie an den Vorderfüssen mit Schlingen gefesselt waren, so weit,
dass w ir die Hälfte des Tages damit verloren, sie wieder zusammen zu
bringen. Einige hatten das Kraut des F c ó , eines Capperstrauches * ) , der
seine harten Blätter auch in der Dürre erhält, gefressen und erkrankten;
w ir suchten sie durch grosse Gaben ton Salz und Ricinusöl herzustellen.
In diesen misslichen Umständen erreichten wir die Fazenda da Lagoa
de N. S. dtAjuda, wo w ir Hülfe erwarteten, weil sie einer der grössten
Höfe im ganzen Sertäo ist, aber'^gerade diese starke Bevölkerung, von
mehr als einhundert und sechszig Sclavert, war unsern Wünschen entgegen.
Man versicherte, selbst Mangel an Mais zu leiden, und hur mit
Mühe gelang es uns, die nöthige Quantität von Negern einzuhandèlrt,
welche ihre Feiertage zu selbstständigem Anbaue verwendet hatten. Die
Besitzer solcher grossen Landgüter lebeh selten im Sertäo, sie verzehren
in volkreicheren Gegenden, oft mit unglaublichem Aufwande, dén Ertrag,
und überlassen die Verwaltung einem Mulatten, auf dessen Gastfreundschaft
der Reisende nicht immer rechnen darf. Andere,sind, in einet
*) Capparis Y có : caule arboreo, fo lils coriaceis ollongis ramulisque ßavescenti -pulverulen-
to-tomentosis, supra tandem glabrescentibus, pedunculis terminalibus subtetragonis corymbiferis,
floribüs polyandrie monadelphis, bacca subglobosa longe pedicellata pulverulento - tomentosa. M art.
Die Maultiertreiber halten ein starkes Futter von Mais für ein Gegengift.