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Durch die Nähe der brasilianischen Ansiedler, welche die Macuanis gerne
zum Fällen ihrer Urwälder und zum Kriegsdienst gegen dieBotocuden
gebrauchen, haben sie schon einen Anstrich von Cultur erhalten, und sie
pflegen auch hier in dem Alto dos B o y s , wo sich gegenwärtig etwa dreis-
sig Köpfe derselben aufhielten, selbstständig das Land zu bauen, und Mais,
Bohnen und Mandiocca zu erziehen, wenn schon ihre Lieblingsbeschäftigung
die Jagd ist. Diejenigen, welche w ir zu Gesichte bekamen, waren
wohl gebaut, ihre Gesichtszüge waren von dem ersten Strahle der Bildung
erheitert, und ihre Farbe nicht sehr dunkelroth, sondern vielmehr,
ähnlich der der Mongolen, gelblichbraun. Sie wohnen in niedrigen Lehmhütten,
welche sie mitten in ihren Pflanzungen errichten, schlafen nicht
in Hangmatten, sondern auf dem Boden oder auf einem hölzernen Gerüste,
und kochen ihre Gerichte in von ihnen bereiteten irdenen Geschirren. Sie
glauben an Gott und an viele Unholde; doch sind ihre Begriffe vom höchsten
guten Wesen, welchem sie einen Teufel entgegensetzen, sehr undeutlich.
Ihre Indolenz beurkundet sich auch dadurch, dass sie keine Epoche
des Lebens mit Festen feiern, mit Ausnahme des Eintritts der Pubertät
weiblicher Individuen, wobei nächtliche Tänze Statt finden. Die Ehe wird,
wenn der Vater des Mädchens das Wildpret annimmt, welches der Bewerber
bringt, ohne weitere Umstände geschlossen. Dem neugebomen
Säuglinge schlingt die Mutter den fest zugeschnürten Nabelstrang um den
Hals, bis er abtrocknet und abfallt. Die Männer sind zur Polygamie geneigt,
und werden hier nur durch den Einfluss der brasilianischen Soldaten
davon abgehalten; sie sind aber auch nichts weniger als eifersüchtig, ja
sie bieten ihre Weiber bisweilen den Fremden an, und unterscheiden sich
dadurch sehr von den Botocuden, von deren Rigorismus gegen weibliche
Untreue w ir schon ein schauderhaftes Beispiel gesehen hatten. Die Leichname
ihrer kleinen Kinder pflegen diese Macuanis in ihren Hütten zu
begraben, die der Erwachsenen aber entfernt von der Aldea. Auf die
Grabhügel der Letzteren, welche sie mit einem Wassergraben- umgeben,
stellen sie Fleisch nnd Früchte, und zünden Feuer an, damit dem Abgeschiedenen
keines seiner Bedürfnisse fehle. Späterhin stecken sie eilten
Spiess auf das Grab, oder bauen eine Hütte darauf. In diesen Gebräuchen
findet eine auffallende Aehnlichkeit mit denen der Neger im tropischen
Afrika Statt. Bei einem Besuche in den Hütten dieser Indianer fanden
w ir , obgleich sie den Mehrertrag ihres Feldbaues an die Brasilianer zu
verkaufen pflegen, dennoch überall Arnftuth und Unreinlichkeit; am traurigsten
aber war uns der Anblick einer kranken Frau, welche, von den
Ihrigen., verlassen, und dem Mitleiden der portugiesischen Wachen anheim
gefallen, ein wahres Jammerbild darstellte, und bei unserem Erscheinen
in ein fürchterliches, . anhaltendes Geschrei ausbrach. W i r fanden auch
in diesem Falle bestätigt, was uns so oft von Brasilianern ist versichert
worden, dass die Indianer nur einige wenige Arzneimittel kennen, die
sie fast ohne Unterschied anwenden, und dass sie bei erfolglosem
Gebrauche den Kranken alsbald aufgeben und sich selbst überlassen.
In dem Quartel befanden sich auch einige Indianer von dem Stamme
der Malalis, dessen Hauptniederlassung gegenwärtig in Pagainha
am R io Seru h y Pequeno, einem nördlichen Tributär des Rio Doce, ist.
Diese Malalis waren unter den Macuanis aufgewachsen, unterschieden
sich gar nicht in ihrem Aeusseren, und hatten sogar ihre Sprache verlernt.
Ausser diesen beiden Stämmen bewohnen noch fünf andere kleine
Nationen die Urwaldungen an der östlichen Grenze der Provinz von Mi-
nas Geraes: die M a xa ca r is, die C apoxös, die Panham.es, die Coma-
noxös und die Monxocös *). Die Wohnsitze derselben sind veränderlich,
besonders wegen des Andranges der unruhigen B o tocud os, welche
fliese kleineren Stämme als Todfeinde verfolgen. Früher wohnten sie,
mehr zerstreut, zwischen den Flüssen S e ru h y , S ussuh y und den Quellen
des M u cu r y ; die Ausbreitung der Botocudos aber vom obern Rio
Do c e hat sie gezwungen sich östlicher gegen die Quellen des Rio de S .
Math eus, in einen kälteren, steinigeren und an W ild ärmeren Landstrich
zu ziehen. Die Capoxös sollen von hellerer Farbe, die Pänhames und
Comanoxös furchtsamer und unthätiger, als die übrigen seyn, sonst aber
kommen sie alle in Sitten, Sprache, die jedoch mehrereDialecte hat, und
in dem Hasse gegen die Botocudos mit einander überein. Das Bild,
welches uns ein Brasilianer von ihnen entwarf, der bei Gelegenheit eines
Streifzuges {Entrada) gegen die Botocudos längere Zeit mit ihnen lebte,
*) Statt des X In diesen Worten wird bisweilen ein S c h geschrieben; Panhames: sprich
Paniämes.
II. Theü. 63