Bahia selbst, als Speditionsort von grosser Wichtigkeit. Zahlreiche Maul-
thiertrupps empfangen hier die, zu Wasser herbeikommenden europäischen
Handelsartikel, um sie nach dem Innern des Reiches? abzuführen, und es
herrscht die volle Geschäftigkeit eines Landhafens, während in der F illa
de Cachoeira Alles an die Nähe des Meeres und an den Seehandel erinnert.
Die Aussicht auf diesen schöngebauten,. von europäischer Regsamkeit
belebten Ort war ein wahrer Genuss für uns, nach so langem Aufenthalte
im Sertäo, und ich versuchte ihn unserer Erinnerung durch eine
Skizze zu erhalten, welche im Atlas unter der Aufschrift „Villa de Ca-
xoeira“ ausgeführt worden i s t Dieser Flecken breitet sich am Fusse
grüner, mit Zuckerrohr und Tabak bepflanzter Hügel aus, und ist wohl
ohne Zweifel, so wie die reichste und volkreichste, auch eine der angenehmsten
Villas in ganz Brasilien. Zahlreiche Buden und Waarenhäuser,
mit den verschiedenartigsten europäischen Artikeln angefüllt, geben einen
hohen Begriff von der Lebendigkeit seines Handels. Die Villa zählt gegen
tausend Feuerstellen und über zehntausend Einwohner, unter welchen ver-
hältnissmässig sehr viele Portugiesen sind. Am meisten hat sie sich durch
den Anbau des Tabacks bereichert, welcher in ihrem Bezirke und in einem
Umkreise von zehn Legoas vorzüglich gut gedeiht, und nach Europa,
namentlich nach Gibraltar, Lissabon, Oporto, Marseille, Hamburg
und Liverpool, in grossen Packen von dreissig bis hundert Pfunden Gewicht,
nach der Nagerküste aber in kleinen, von zehen, bis zu zwölf
Pfunden ausgeführt wird. Dieser Artikel war früherhin der hauptsächlichste,
gegen welchen die brasilianischen Guineafahrer Sclaven eintauschten,
seitdem aber der Negerhandel nördlich vom Aequator vertragsmässig. aufgehört
hat, oder doch wenigstens, Dank der Wachsamkeit der englischen
Seestationen, sehr beschränkt ist, hat die Nachfrage nachgelassen, und man
bemerkt eine beträchtliche Verminderung des Tabackshandels überhaupt.
W ir besuchten diesen lebhaften Ort von unserem Standquartiere in
Porto de S. Feliz öfter mit stets zunehmendem Interesse, und wurden,
als w ir bei dem Juiz de Fora unsere Empfehlungsbriefe abgaben, auf das
angenehmste durch einen Brief unseres trefflichen Freundes Senhor da
Camara von Tejuco überrascht, welcher uns einlud, einige Zeit in seiner,
unterhalb Cachoeira am Peruaguagu. gelegenen grossen Zuckerfabrik, En-
genho da P onte , zuzubringen. Schon am Tage nach unserer Ankunft
fand sich der Factor , der Fabrik mit seinem Boote ein, um uns dahin abzuholen,
und w ir nahmen die Einladung um so lieber an, als w ir zugleich
einen Ort auswählen mussten, um unsern zahlreichen Maulthiertrupp,
während des Aufenthaltes in Bahia, mit Weide zu versorgen.
Da der Rio Peruaguagu, welcher nur bis Cachoeira schiffbar
ist, hier mit dem benachbarten Meere, dem er zuströmt, Ebbe und Fluth
theilet, so unternimmt man die Schiffarth stromabwärts, und besonders
nach Bahia, mit der Ebbe, meistens nach neun Uhr Abends. Die Fluth
welche hier während des Neu- und Vollmondes bedeutend sichtbar ist,
steigt am höchsten in den Monaten März und August, und pflegt vom
Januar an zu wachsen. Im Allgemeinen bemerkt man bei Mondsfinsternissen
keine besonderen Veränderungen. In den Jahren 1754 oder 1 j 55
(vielleicht zur Zeit des Lissaboner Erdbebens) soll die Fluth zwölf Fuss
höher als gewöhnlich gestiegen seyn. Eine ähnliche Erschütterung der
Natur glaubten wir befürchten zu müssen, als w ir am 7. November gegen
Abend eben unsere Sammlungen in das Boot gebracht hatten, welches
uns nach dem Engenho da Ponte abholen sollte, und dem Augenblicke
der Abfahrt entgegensahen. Plötzlich war nämlich das Firmament
von drohend schwarzen Gewitterwolken umzogen worden, die unmittelbar
auf dem Strome zu lagern schienen, und sich nun, nicht etwa so wie
wir es sonst schon gesehen hatten, in kurzer Zeit entluden, sondern sechs
Stunden lang Fluthen von Regen und Ströme von Feuer herabgossen.
Da das offne Boot in kurzer Zeit zur Hälfte mit Wasser angefüllt war,
so mussten w ir mit tiefer Bekümmemiss sehen, wie selbst noch im Hafen
die Früchte unserer Bemühungen dem Untergange nahe waren. Als
w ir erst einige Tage später in Bahia Gelegenheit fanden, die Kisten zu
eröffnen, so erfuhren w ir allerdings, dass diese wenige verhängnissvolle
Stunden einen Theil unserer Sammlungen, und namentlich der Herbarien,
vernichtet hatten.
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