Miss wachs und Vernachlässigung der hiebei zu treffenden Maassregeln Hun-
gersnoth überstehen müssen. So sollen in den Jahren 1807 und 1808 gegen
fünfhundert Menschen an den Folgen eines allgemeinen Mangels gestorben
seyn. An Aufspeichern von Nahrungsmitteln hat man hier nie
gedacht, und vielleicht würde die Bewahrung derselben vor Fäulniss und
Insectenfrass grossen Schwierigkeiten unterliegen. Die Syphilis ist leider
auch hier sehr verbreitet, und ihre, unter der Begünstigung eines tropischen
Klima an sich leicht zu ertragenden, Zufalle werden oft durch
heillose Behandlung in gefährliche Mercurialkrankheiten verwandelt.
Nur ungerne verliessen w ir am 17. October das freundliche Städtchen,
welches uns durch seine L a ge, wie durch die Bildung und Gastfreundschaft
seiner Bewohner an Tejuco erinnert hatte, und stiegen den
steilen östlichen Abhang des Gebirges hinab bis zu der Caza de Telha,
einem grossen Meierhofe, der in den benachbarten Catingas Waldungen reiche
Baumwollenpflanzungen besitzt. Die Formation des, in Stunde 22
von N . nach S. streichenden, Quarzschiefers herrscht auch hier noch, und
der Reisende verlässt sie erst, wenn e r , zwei Legoas weiter, den Rio
de Contas passirt hat. Die nun folgende Bildung von Glimmerschiefer,
welcher bisweilen in weisslichen oder gelblichen Weissstein (Granulit)
übergeht, liegt auf Granit. Sie hat hie und da Knauern eines sehr harten,
grobkörnigen, zeitigen, grauen Quarzes eingeschlossen.- Auf dieser Formation
bemerkten w ir Lager eines lichtegrauen, etwas porösen, sehr festen
Sandsteines, welcher ganz ähnlich in Deutschland hie und da*) dem
gewöhnlichen Quaderstein eingelagert erscheint. Dürre, , in der Trockne
blattlose Wälder verbreiten sich in unermesslicher Ausdehnung über das
hüglichte oder zu hohen Bergen aufsteigende Land. Grosse Strecken sind
mit Gebüschen der Ariri-Palme {Cocos schizophylla, Mart. Palm. t.
84. 85.) bedeckt, deren unreife Früchte ausgepresst werden, um mit dem
*)■ So z. B. kommt diese Form des Quarzsteines, nach der Bemerkung des Hm. General-
Bergwerks-Administrators, Ritter v. Wagner , in der Gegend von Amberg, in mächtigen Blöcken
vor, die mehr als der übrige lockere Sandstein der Verwitterung widerstanden. Zuweilen nimmt
er ein fast krystallinisches Gefüge an, wie Flurl (bayer. Gebirge S. 520.) einen solchen bei
Hirschau beschreibt.
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schleimigen Safte leichte Augenentzündungen zu behandeln; und hie und
da erhebt sich.ein lichter Hain der Aricuri-Palme {Cocos coronata,
Mart. Palm. t. 80. 8 1 .) , aus deren Stamme die Einwohner bei eintre-
tender Hungersnoth ein trocknes, an Nahrungsstoffen höchst armes Brod
zu bereiten pflegen. Dass die Bevölkerung eines so üppigreichen Landes
zu solchen Mitteln ihre Zuflucht nehmen muss, um ihre Subsistenz zu
sichern, würde uns unglaublich geschienen haben,- hätten w ir uns nicht
von dem Elende überzeugt, in welchem die Sertanejos dieser Gegenden
gewöhnlich leben, und sich Wohlbefinden. Es schien uns aber, als stünden
sie an Bildung und Lebensbedürfnissen selbst den einsamsten Serta-
neios von Minas nach. Eine kleine schmutzige Hütte, umgeben mit einer
vernachlässigten Bananenpflanzung, eine Rossa, die mit Bohnen und Man-
diocca bestellt wird, eine Heerde von Rindvieh und einigen mageren Pferden,
welche selbst für ihren Unterhalt sorgen muss, das befriedigt die
höchsten Wünsche dieser verwilderten Leute. Sie leben von Vegetabi-
lien, getrocknetem Rindfleische, Milch, einer Art süsser Käse {Requei-
x ä o ) , und während der Fruchtreife vorzüglich auch von den Früchten
des Imbuzeiro-Baumes {Spondias tuberosa des Arruda und andern Arten),
aus deren süsslichsaurem Safte sie mit Milch die Imbusada, ein erfrischendes
, wohlschmeckendes Gericht bereiten. Jagd und die Freuden der
sinnlichen Liebe sind die Genüsse, durch welche sie sich für ihre Einsamkeit
entschädigen. Selten sieht man nnter ihnen einen Weissen von rein
europäischer Abkunft; Viele sind Mulatten, Andere beurkunden durch ihre
hellere Gesichtsfarbe und das schlichte Haar die vermischte Abstammung
von Indianern und Weissen, und da sie oft die Indolenz und Willenlosigkeit
ihrer amerikanischen Väter geerbt haben, so sind sie nicht selten,
unter dem geringschätzenden Ausdrucke der Tapuyada (von Tapuuya,
Indianer) der Gegenstand der Verachtung ihrer Nachbarn. Es ist dies
ein merkwürdiges Verhältniss, das w ir in ganz Brasilien wiederfanden,
dass der Mulatte in seiner gemischten Abkunft Anspruch auf höhere
Ächtung begründet sieht, die er sich auch durch seine Talente und bürgerliche
Thätigkeit erhält, während ein allgemeines Sprichwort in jeder
Mischung mit amerikanischem Blute nichts Heilsames und Tüchtiges anerkennt.
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