70Ö
Manglerinde angefullt, die, zum Theile bereits seit längerer Zeit in dem
Schiffsräume der Fäulniss ausgesetzt, einen pestilenzialischen Geruch verbreitete.
Als w ir uns, bei eintretendem Regenwetter unter das Deck
flüchteten, wurde, zu nicht geringem Erstaunen, unsere Silbermünze in der
Tasche schwarz; und w ir glaubten deshalb in der Rinde auf einen Schwefelgehalt
schliessen zu dürfen, welcher sich durch die Fäulniss als Schwefelwasserstoffgas
entbunden hätte. Eine chemische Untersuchung der Rinde
wird in dieser Rücksicht nicht ohne Interesse seyn. Unter den Uebeln, die
w ir auf der Fahrt nach Bahia auszustehen hatten, war jedoch dieser üble Geruch
nicht das grösste. Noch unangenehmer empfanden w ir die Saumseligkeit
unseres Bootsmannes {M e s tr e), der, obgleich er versprochen hatte, in
der gewöhnlichen Zeit, von vier und zwanzig Stunden, uns nach Bahia
zu bringen, dazu drei volle Tage verwendete, indem er an einigen Orten
in Geschäften verweilte. Der europäische Reisende hat an dieser Küste
von den Söhnen Neptuns, in deren Willkühr ihn der Zufall versetzt, keine
Aufmerksamkeit, sondern nur Geringschätzung zu erwarten. E r muss
gemeiniglich, als vermeintlicher Engländer, alle Launen eines Nationalhasses
ertragen, den diese Seeleute weder verhehlen können, noch verstecken
wollen. Die erste Station, welche w ir dem Schiffsm'eister zu Gefallen
halten mussten, war auf der kleinen Insel das F lo r e s , oder do
Ch.iqu.eiro an dem Ausgange der Bai von Camamu. Das Eiland ist mit
fruchtbaren Pflanzungen bedeckt, und bot uns eine reichliche Lese köstlicher
Gujavenbeeren, aus denen die Bewohner, von indianischer Abkunft,
sehr wohlschmeckende Zuckerconserven bereiten. Die Früchte der Cui-
tebäume (Crescentia Cujete, Z/.) werden von ihnen, der Länge nach ge-
theilt, sorgfältig gereinigt und getrocknet, zu sehr zierlichen Trinkschalen
{Cujas) verarbeitet. In der dunkelgeschwärzten Oberfläche der Schalen wissen
sie mit einem Griffel oder Messer zahlreiche Figuren von Blumen,
Thieren und Menschen einzugraben, welche daher in weisser Farbe hervortreten.
Diese Figuren sind von allen, die w ir in Brasilien von den
Ureinwohnern verfertigt sahen, die besten in der Zeichnung, und nähern
sich, dem Charakter nach, einigermassen dem chinesischen Geschmacke.
Zum Schwarzfarben der Cujas sollen sich diese Indianer einer Abkochung
von der Rinde mehrerer Myrten und eines sehr feinen, schwarzen Thones
bedienen; wahrscheinlich geht also hier eine Verbindung von Gerbestoff
mit Eisenoxyd vor sich. Nachdem w ir gezwungen worden waren,
auf der Ilha das Flor e s eine regnerische Nacht unter dem Schutze einer
feuchten Hütte hinzubringen , landeten w ir am nächsten Tage schon wieder
an der Mündung des Jagoaripe. Viele Barken mit Lebensmitteln
und mit Zuckerkisten, welche von der F illa de Jagoaripe und von
dem A r ra y a l Nazareth das Farinhas herabkommen, um von hier aus
durch die ’sogenannte Ba r ra fa lsa nach Bahia zu segeln, beleben die
Wasserstrasse; und w ir setzten von nun an die Reise fast immer in Begleitung
grösserer oder kleinerer Fahrzeuge fort. In der Nähe des Meeres
sind die Küsten des Festlandes und der zahlreichen Inseln grössentheils
mit Manglebäumen besetzt, landeinwärts aber erblickt man ausgedehnte
Pflanzungen und reinliche Gebäude an den sanftansteigenden, mit Buschwerk
und einzelnen Palmen gezierten Hügeln. Als w ir die Insel Itaparica
erreicht hatten , Hessen w ir uns auf der Mitte der Westseite an das Land
setzen, und wanderten zuFüs s, durch freundliche, zumTheil wohlbebaute
Gründe nach der Villa, wo w ir bequeme Herberge fanden, und uns an
der idyllischen Ruhe dieser schönen Insel ergötzen konnten, welche allerdings
sehr angenehm mit dem Lärm der benachbarten Hauptstadt contrastirt.
Bei unserer Rückkehr nach Bahia fanden w ir zahlreiche Briefe
aus dem Vaterlande und aus Rio de Janeiro. Schon von Minas
Geraes aus hatten w ir S. ‘E . den K. K. österreichischen Gesandten, Hrn.
Bar. v. N eveu mit dem Wunsche bekannt gemacht, die nördlichste Provinz
Brasiliens, Para, zu bereisenj ■ und ihn um officielle Empfehlungen
dahin und in die zu durchreisenden Provinzen gebeten. Die K. portugiesisch
brasilianische Regierung hatte auch mit der hohen Liberalität, wodurch
sie alle Schritte unserer Expedition unterstützte, Empfehlungsbriefe
an die Gouverneurs der zu durchreisenden Provinzen äusstellen lassen, welche
wir hier antrafen; jedoch befand sich dabei keiner nach Para, wie Hr.Bar.
v. N eveu uns erläuterte: weil ein neuerlich erschienenes königliches Edict
die Grenzprovinzen Para, Rio Negro, Matto Grosso und Rio Grande do
Sul den Fremden verschlossen, und er deshalb für uns die Empfehlung
nach Para nicht nachgesucht habe. Diese Nachricht musste den, seit wir