ungleich, und in den tieferen, zum Theile sumpfigen Gegenden stellt die
Vegetation, vorzüglich von Heliconien, Rapateen, Bromelien und scharf-
blättrigen, zum Theile baumartigen Gräsern, dem Vorwärtsschreiten fast
unbesiegbare Hindernisse entgegen; Ueberdies sind hier kleine giftige
Schlangen nicht selten, welche wir bisweilen in den Höhlen der Ananasstauden
liegen fanden. Unser Führer vermied daher die niedrigsten Gründe,
und je höher w ir an den Hügeln hinanstiegen, desto reinlicher und
lichter von Unterholze ward der Wald. Selten fanden w ir an Abhängen
oder im Bette der Bäche den Granit zu Tage ausgehen, gemeiniglich
aber einen tiefen Grund von braunem schwarzen Thon, den häufige
Ueberreste von Wurzeln durchziehen. Gras und Kräuter sind auf diesem
Boden selten, aber um so majestätischer erheben sich die Stämme namenloser
Baumgeschlechter, die sich in einer Höhe von hundert und fünfzig
Schuhen zu einem dichten Laubgewölbe ausbreiten. Viele dieser riesenhaften
Gewächse zeichnen sich auch noch besonders durch strahlige Ausbreitung
des untersten Theiles ihrer Stämme aus, wodurch sie ihre ungeheuere
Last in dem Boden mehr und mehr zu befestigen suchen. Diese
Strahlen des Stammgrundes sind Verlängerung sowohl von dem Stämme
abwärts, als von der Wurzel aufwärts, und nicht etwa, wie nrian versucht
seyn dürfte, auf den ersten Blich anzunehmen, blos aus dem Boden
hervorgetretene Wurzeln. Ihr Wachsthum beginnt dann, wenn der Baum
eine bedeutende Höhe erreicht hat; sie sind mit Oberhaut und Rinde, wie
der übrige oberirdische Stamm überzogen, aber immer verlängern sie
sich nach unten in die eigentlichen Wurzeln, und es bilden sich nur so
viele, als Hauptwurzeln vorhanden sind. Bisweilen erheben sie sich bis
zu einer Höhe von zehn oder zwölf Fuss; der walzenrunde Stamm sitzt
dann gleichsam auf einer tiefausgefurchten Pyramide auf, und die Fällung desselben
wird sehr erschwert, weil das Beil eine wenigstens doppelt so grosse
Fläche zu durchschneiden hat. Die Schenkel dieser sonderbaren Stammbildung,
welche man in Brasilien Cepo-apeba (verdorben Sapnpema),
d. h. Plattwurzel nennt, werden vorzüglich statt der Bretter gebraucht,
wozu sie sich, wegen der plattgedrückten Flächen, eignen. Unzählbar
sind übrigens die Formen von gerade ausgespannten oder schlangenartig
gewundenen Schlingpflanzen, von Ananas- und Aronstauden, von Famkräutern
und prachtvollen Orchideen, die an feuchten Orten die Hochstämme
überziehen. Solche phantastische, oft trügerische Gestalten spannen
die Einbildungskraft des Wanderers, und erregen nicht selten die
Anwandlungen einer bangen Furcht,1 zu der ohnehin die schauervolle
Stille dieser Wälder vorbereitet. Welche Wirkung aber der andauernde
Einfluss dieser grausenvollen Einsamkeit auf das menschliche Gemüth äussere,
beurkundeten unsere indianische Führer. Trippelnden, jedoch schnellen
Schrittes gingen sie vor uns her, und schienen mit allen Sinnen in
das Stillleben der Umgebung versunken. Jeder Windstoss, der die ruhigen
Wipfel beweget, jeder Laut eines Thieres wird von dem Indianer
vernommen, .-Sa nach allen Seiten wendet er die kleinen dunklen Augen,
die weitabstehenden Ohren; S er erfasst gleichsam auf einmal alle Handlungen,
die in diesem grossen Naturschauspiele, durch welches er hinwandelt,
Vorgehen, er setzt alle in Beziehung zu seinen Bedürfnissen; — hier lockt
er mit täuschendem Rufe den Papagei aus den Zweigen herab, hier hat
er im Nu das, durch die Zweige fliehende Eichhörnchen ausgekundschaftet,
dort erhascht er eine Paca oder ein Coati, die eben in ihre Höhlen schlüpfen
wollten; mit Schnelligkeit sammelt er während des Gehens die Larven
grosser Käfer, einen Leckerbissen, aus faulem Holze auf, oder bricht
die jungen Stengel von Costus ab, um durch den auszusaugenden Saft
dem Durste vorzubeugen. So macht er sich die ganze Umgebung für
seine Zwecke dienstbar, und verfolgt mit sicherer Eile seinen Weg. Obgleich
w ir , um den sumpfigen Niederungen auszuweichen, meistens an
den runden Hügeln herumgingen, so blieben doch unsere braunen Führer
der eingeschlagenen Richtung nach S. S .W . immer treu, und steuerten
zuversichtlich durch die ungeheuere Waldung. Nur nachdem w ir Mittags
an dem granitischen Ufer eines klaren Waldbaches geruhet hatten,
und die Branntweinflasche öfter von ihnen in Anspruch genommen worden
war, erhüben sie unter einander mancherlei Zweifel über die kürzeste Richtung,
und sobald eine Art von Urtheil, statt des bis jetzt waltenden In-
stinctes, sie leiten sollte, verloren sie ihre Unbefangenheit und Sicherheit.
Nachdem sie uns eine gute Weile fortgefuhrt, und, um den Rückweg
nicht zu verfehlen, die Spitzen der Zweige, an welchen wir vorübergingen,
abgebrochen hatten, blieben sie stehen, und verfielen in träumeri