Maassstab für den Reichthunf der Besitzer. Die Sertanejos beschäftigen
sich in ihrer Einsamkeit wohl bisweilen auch mit Nachsuchungen nach
Gold, das hie und da vorkommt, und nach Diamanten. W i r sahen mehrere
dieser edlen Steine, welche jedoch fast alle eine sehr dichte, perlmutterartigglänzende
Schale zeigten, und diejenige Form darstellten, welche
die Steinschneider Natura zu nennen, und, als für den Schnitt ungeeignet,
auszuschiessen pflegen. Interessanter noch waren uns kleine grüne
Turmaline in Quarzkrystall eingewachsen, welche der Bewohner der F a zenda
de S. Jerome vom RioPardo her erhalten zu haben vorgab. W i r
übernachteten in der Fazenda Congonhas do Campo, sechs Legoas
nordwestlich von Itacambirussü. * Die Aufnahme war überall-im Sertäo
nicht weniger gastfreundlich, als im übrigen Minenlande; doch wie verschieden
erschienen uns die Bewohner dieser einsamen Gegenden, im V e r gleiche
mit den geselliggebildeten, feingewandten Städtern von Villa Rica,
S. Joäo d’E l Rey u. s. w .! Im Hause ist der Mann nur mit kurzen, an den
Knieen offenen Beinkleidern von weissem Baumwollenzeuge, und darüber
mit einem Hemde von gleichem Stoffe oder von buntfarbigem, geblümten
Kattun bekleidet. Eben so idyllisch ist die Tracht der Kinder und der Frau,
die überdiess des Vorrechts der Pantoffeln entbehret. Auf der Jagd oder
im Dienste der Heerde kleidet sich der Sertanejo in lange Beinkleider vom
Leder der Capivara oder des Rehes, welche mit den Stiefeln aus einem
Stücke bestehen {Perneiras), und in eine kurzen Jacke (Gibäo) ; den
Kopf bedeckt er mit einem niedrigen halbkugligen Hute, dessen breite
Krempe und daran befestigte Falte gegen die Dornen schützen soll, wenn
e r , im Verfolge des Rindviehes, auf dem flüchtigen Klepper durch das
Dickicht bricht. Ein langes Messer im Stiefel oder im Gürtel ist seine
gewöhnliche Waffe; übrigens versteht er wohl auch, gleich dem Piäo in
den südlichen Provinzen, die Schlinge {Lago) zu gebrauchen. Der Sertanejo
ist ein Kind der Natur, ohne Kenntnisse, ohne Bedürfnisse, von
derben, einfachen Sitten. Mit der Scheue vor sich selbst und vor seinen
Umgebungen fehlt ihm die Zartheit des sittlichen Gefühls, was sich schon
durch die Vernachlässigung in der Kleidung beurkundet; er ist aber gutmü-
thig, theilnehmend, uneigennützig und friedfertig. Die Einsamkeit und
der Mangel geistiger Beschäftigung reitzen ihn zum Karten- und Würfel-
Spiele und zur sinnlichen Liebe, wo er, hingerissen,von seinem Temperamente
und der Hitze des Klima, mit Raffinerie und Unersättlichkeit ge-
niesst. Eifersucht ist fast die einzige Leidenschaft, die hier zu strafbaren
Excessen führt. Uebrigens ist der geringste Theil dieser Sertanejos von
rein europäischer Abkunft; die Meisten sind Mulatten in der vierten oder
fünften Generation, Andere sind Mischlinge von Negern und Indianern,
oder von Europäern und Indianern. Schwarze Sclaven sind bei der Armulh
der Ansiedler im Allgemeinen selten; die Arbeiten des Ackerbaues und
der Viehzucht werden von den Gliedern der Familie selbst verrichtet.
Von dem westlichen Ufer des Itacambirussü erhebt sich die Landschaft
wieder, um die Wasserscheide zwischen diesem Flusse und dem
Rio F~erde Grande zu bilden, welcher dem Rio de S. Francisco zu-
fliesst. Der W e g war angenehm, und reich an wechselnden Aussichten
in weite, muldenförmige Thäler, deren Vegetation Campos mit zerstreuten
Taboleiros ist. W i r verloren die grossartigen Umrisse der Serra de ,
S. Antonio aus dem Gesichte, die Landschaft ward offener und freundlicher.
Auf den Höhen fanden w ir noch viele Pflanzen, welche uns aus der Umgegend
von Tejuco bekannt waren, als w ir aber weiter herabstiegen, verwandelte
sich nach und nach die Flora. Mehrere Bombaxarten {Bombax pdr-
viflorum, pubescens und retusum, Mart. Nov. Gen. t. 57. 58. 5g.), deren
biegsame zähe Rinde {Imbira) von den Sertanejos statt des Bastes gebraucht
wird , die zartblättrigen Jacarandas, welche so eben auf den entlaubten
Zweigen grosse Trauben dunkelblauer Blüthen entfalteten, und eine Co-
cösart {Cocos capitata, Mart. Palm. t. 78. 79.), die mit ihren niedrigen
dickköpfigen Stämmen in dieser Landschaft die Stelle der Baumlilien des
Alpenlandes von Minas vertrat, konnten uns verrathen, dass w ir an die
Schwelle eines anderen Flussgebietes gekommen waren. Je weiter w ir
allmählig abwärts stiegen, desto häufiger traten Malven- und Lippenblü-
then und Turneren hervor, und desto seltener erschienen die kleinen haidekrautähnlichen
Rhexien, deren zarte vielgestaltige Formen uns noch auf
der Höhe dieses breiten Gebirgsrückens, gerade wie bei Tejuco, erfreut
hatten. Die herrschende Formation ist immer" noch Quarzschiefer, welcher
hie und da, wie bei der Fazenda Joaquim P e r e ira , eine Legoa
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