indem solche Einflüsse eben so sehr ein eigentümliches Gefühl von allgemeinem
Missbehagen zu erregen vermögen, als der verminderte Druck
der Luft auf hohen Gebirgen. Uebrigens mag auch die schlechte, rohe Kost
der Sertanejos und der häufige Genuss von Obst den Unterleib zu diesem
ungeregelten Hunger disponiren. Noch einer Krankheit, die in dem hochliegenden
Sertäo oft erscheint, will ich hier in Kürze erwähnen, des sogenannten
A r oder Stupor. So nennen die Sertanejos Anfalle von plötzlicher
Lähmung, welche vorzüglich nach Erkältung hier ziemlich häufig
eintreten, und bisweilen sehr bedenklich werden. W i r sind einigemal
Zeuge von solchen Lähmungen der Arme, der Zunge und der Zehen gewesen,
' und wurden eben so sehr durch die Heftigkeit der Anfalle erschreckt,
als in Verwunderung gesetzt durch die Schnelligkeit, womit sie
uns auf den Gebrauch eines warmen Bades, einer anhaltenden schweiss treibenden
Methode, eines Sinapismus oder ammoniakalischer Einreibungen
wieder wichen. Freilich sind die Sertanejos in der Behandlung ähnlicher
Fälle minder glücklich, da sie gewöhnlich die Krankheit nur mit schwachen
Hausmitteln bekämpfen, und durch den übermässigen Gebrauch von
Ipecacuanha und Tartarus emeticus, der allgemeinen Panace, das Uebel oft
verschlimmern. Uebrigens hat die Natur ihnen einen Reichthum kräftiger
Arzneipflanzen verliehen, welche die Würdigung der Aerzte in einem hohen
Grade verdienen, und deren mehrere in Zukunft wohl auch den Arzneischatz
in Europa vermehren dürften. ( 5.)
Nachdem w ir während eines Aufenthaltes von drei Wochen in dem
gastfreien Hause des Senhor N o gue ir a die wichtigsten Schätze des Ser-
täo, namentlich aus dem Thierreiche, gesammelt hatten, verliessen w ir
unter der Begleitung unseres vortrefflichen Wirthes Contendas, diesen
freundlichen Ort, der für uns Fremdlinge nicht umsonst den bedeutungsvollen
Namen trug. W i r übernachteten am 12. August in der Fazenda. Taman-
duä, drei Legoas nordwestlich von Contendas. Auf dem Weg e dahin
begrüssten w ir nochmals die herrliche Waldung derBuriti-Palmen, welche
sich fast eine Legoa lang in den niedrigen Wiesen hinziehet. Zahlreiche
stahlblaue Araras (die Araruna, A ra hyacinthinus), die Bewohner der erhabenen
Wipfel, umkreissten uns paarweise im Fluge, und Hessen ihr
krächzendes Geschrei, durch die friedliche Gegend erschallen. Auf dem
rauchgrauen Kalksteine, dessen zwei bis drei Fuss mächtige Schichten
von N. nach S. streichen, bemerkten w ir zerstreute Fündiinge von Nieren
eines braunen Thoneisensteins, welche in der Umgegend von Contendas
mehrfältig Vorkommen. Die Bruchstücke des Kalksteines waren uns
wegen des auffallenden Klanges merkwürdig, welchen sie beim Anschlägen
von sich geben. Die Vegetation der Catingas, durch die w ir am
i 3. August auf einen kurzem Tagmarsche vonTamanduä nach Tapera hinzogen
, hatte in der gegenwärtigen trocknen Jahrszeit keinen Pieiz, und
wir waren froh, als w ir endlich, am dritten Tage, die dichten Gehägesich
lichten sahen, und uns am Abhange des Plateau’s der Geraes befanden.
W i r schätzten die Höhe, welche w ir in das eigentliche Flussthal des Rio
de S. Francisco hinabzusteigen hatten, auf ohngefahr 55o Fuss. Doppelt
schmerzlich erschien uns hier der Verlust unseres letzten Barometers,
welcher bei dem Uebergange über die Serra de S. Antonio zerbrochen
w a r , als der ihn tragende Arieiro vom Pferde stürzte. Der W eg
senkt sich über mächtige Kalksteinfelsen allmälig abwärts. Als w ir in der
Ebene angelangt waren, glaubten w ir eine Verschiedenheit in der Vegetation
zu bemerken. Durch Wiesen, welche hier minder verbrannt schienen,
als in den Geraes, ziehen lange Reihen niedriger Gebüsche oder
Streifen hoher Catingaswaldung hin, wodurch der Landschaft ein eigenthüm-
licher Reiz von Mannichfalligkcit verliehen wird. Unmittelbar am Ufer des
Flusses steht ein dichtes Gehäge von einer stachlichten Bauhinie^* einigen
Acacia-Bäumen und der Triplaris, mit blattlosen Lianen von Cissus durchstrickt.
( 5.) Diese Ufervegetation ist durch die Reste der jährlichen Ueber-
schwemmungen, Schlamm und Treibreisig des Stroms, veranstaltet, und
eben so widerlich durch diesen Unrath, als beschwerlich zu durchdringen
durch die Häufigkeit der Stacheln und die dichten Schwärme von Mosqui-
ten. Nachdem w ir auch diesen Waldsaum, welchen die Einwohner
Alagadisso nennen, durchbrochen hatten, sahen wir zu unserer grossen
Freude den Rio de S. Francisco seine spiegelnden Wellen in majestätischer
Ruhe vor uns vorüberführen. Der Strom misst hier fast eine
Viertelstunde in der Breite, und ist auch auf dem entgegengesetzten Ufer
mit eirem Saume von dichtem Alagadisso eingefasst.