den gemischter Farbe ohne Befremdung in derselben, und nur für den
Statistiker dürfte es schwer seyn, die Grenzen zwischen Farbigen und
Weissen zu bestimmen, und ihre Zahl auszumitteln. Die besondere Lage
der Stadt und ihrer Umgebung weisst der Bevölkerung, welche in gleichem
Umfange selbst die von Rio de Janeiro übertrifft, eine dreifache
Thätigkeit an. Das Geschäft des Ackerbaues ist gewissermassen den Scla-
ven zugetheilt, deren man zwischen achtzig und neunzigtausend zählt,
die Handwerke, und namentlich die gemeineren, welche in der Stadt schon
vollkommen ausgebildet sind, beschäftigen vorzüglich die farbigen Leute;
und der Handel, die höheren Gewerbe, die Verwaltung der verschiedenen
Staatsämter und der grossen Höfe und Engenhos im Heconcavo sind in
den Händen der Weissen oder derjenigen, welche sich so nennen lassen.
Obgleich übrigens die we’isse Farbe in Brasilien gleichsam adelt, und Ansprüche
auf eine gewisse Stufe in der Gesellschaft zu geben pflegt, so
würde man sich doch sehr irren, wollte man bei dem weissenTheile der
Bevölkerung, und zwar selbst in den hohem Ständen, Gleichheit der Bildung
und der Ansichten erwarten. Bildung und Sitte ist die des Mutterlandes
, aber vielartig verändert durch den Einfluss französischer oder englischer
Literatur, oder durch Lebensereignisse, besonders die Bekanntschaft
oder Unbekanntschaft mit Europa. W ie sehr der Aufenthalt in
unserem Welttheile auf die Entwickelung der Brasilianer wirke, davon sich
zu überzeugen, hat der Europäer manche angenehme Gelegenheit; jedoch
herrscht, besonders unter den reichen Gutsbesitzern und Kaufleuten von
B a h ia , eine Abneigung, ihre Söhne nach Portugal zu senden, wo sie bald
von übler Gesellschaft bald von einer ungünstigen ehelichen Verbindung
furchten. Noch verschiedener als die Bildung der Weissen ist im Allgemeinen
ihre politische Ansicht, und in dieser Beziehung scheidet sich die
Bevölkerung von Bahia und dem benachbarten Pernambuco strenger, als
die einer anderen Provinz von Brasilien in zwei Theile, deren Reibungen
sich leider bereits in den letzten Jahren durch einige notorische Bewegungen
kund gethan haben. Der eine Theil zeigt bei feinerer Bildung und
solideren Kenntnissen eine grössere Anhänglichkeit an das Mutterland und
an den Bestand der Gesetze und Formen; der .andere, nicht selten sogar
in den nöthigsten Kenntnissen verwahrlosst, und einseitig, ohne Lebenserfahrungen
und den Irrlehren sogenannter liberaler Schriften ergeben, vergisst
die grossen Verdienste Portugals und der gegenwärtigen Regierung,
und neigt zu einer Ueberschätzung des dermaligen Entwickelungsstandes
der einzelnen Provinzen, ‘ welche er gar gerne nur als Föderativstaaten
betrachten möchte. Dieser Theil der Bevölkerung sieht auf die eingewanderten
Portugiesen {Filhos do Reino) mit Eifersucht und Argwohn hin,
und pflegt sie mit dem Spottnamen der Bleifüssler (P e s de chumbo) zu
bezeichnen. Doch sind es nicht blos eingeborne Brasilianer, welche die
erwähnte politische Ansicht bekennen, sondern auch Andere, wie eben
diese durch besondere Ereignisse in ihnen entwickelt und befestigt wurde.
Als Begünstigung und Vehikel solcher Meinungen dürfen w ir gewisse
Verbindungen nennen, welche unter dem Namen der Freimaurerlogen
gebildet wurden, und weit entfernt, den socialen und harmlosen Charakter
der gleichnamigen Gesellschaften in Europa beizubehalten, die Unerfahrenheit
und den Müssiggang benützten, um den Hang zu Neuerungen zu verbreiten,
und excentrische Hoffnungen und Wunsche von einem besseren
bürgerlichen Zustande zu erregen. Diese Andeutungen spricht der V e r fasser
nur ungerne aus ; er glaubt sie aber seinen Lesern schuldig zu
seyn, um, wenigstens im Vorübergehen, den Stand der Meinungen, der
gegenseitigen Wünsche und Ansprüche, der Furcht und Hoffnung zu bezeichnen,
welche nach Innen und im Geheim waltend, von der - Gegenwart,
wie eine schicksalsschwere Büchse der Pandora, noch verschlossen
gehalten werden.
W ie in jeder Handelsstadt sind auch hier die literärischen Bestrebungen
untergeordnet, und die Männer, welche sich aus Neigung und
innerem Berufe den Wissenschaften hingeben, selten. Doch würdigen die Bahianos
ihre gelehrten Mitbürger, unter denen Dr. M a n o e l J0A9UIM h en k i^c e z
d e P a iv a , ein ausgezeichneter ausübender A rzt, bekannt durch vielseitige
literarische Thätigkeit im Fache der practischen Medicin, Materia medica,
Botanik und Chemie in der höchsten Achtung steht. Die französische
Sprache findet man hier, wie in Rio de Janeiro, bei weitem mehr verbreitet,.
als die englische, obgleich die Handelsverbindungen mit England
viel wichtiger sind. Im Theater versammelt sich selten eine der Grösse der
II. Theil. g 2