hiesigen Volksmenge angemessene Gesellschaft; nur hei festlichen Gelegenheiten
füllen sich die drei Reihen von Logen des geräumigen
Gebäudes mit kostbar geschmückten Damen und Herren, und das
Parterre mit einem bunten Gewühle von Männern aller Stände und
Farben. Bevor das Stück beginnt, 'könnte die ironische Laune des
Zuschauers, mit dem Gemälde auf dem Vorhänge beschäftiget, in den
Zügen desselben eine den Bahianos gerade nicht günstige Allegorie auftin-
den. Ein Mulatte von gigantischem Gliederbaue, Mercurs Flügelstab in
der Linken, sitzt gravitätisch auf einer Zuckerkiste, und macht dem erstaunten
Zuschauer mit ausgestreckter Rechten den glänzenden Segen einer
geöffneten Goldkiste bemerklich, während zu seinen Füssen einige
Kinder, die Genien vorstellen sollen, mit dem Globus und MinervaV Attributen
spielen. Auch in diesem Theater figuriren vorzüglich farbige
Künstler, weisse nur selten in Gastrollen. kDie Musenpriester und Prie-
sterinnen, welche von. Portugal aus nach Thaliens Tempel in Rio de Janeiro
wallfahrten, sind hier willkommene Gäste, doch dürfen sie vom Publicum
keinen anhaltenden Ernst verlangen. Für tragische Affecte ist das
hiesige Klima zu heiss, und selbst Nordländer ergötzen sich lieber an
leicht vorüberflatternden Bildern der Laune und des Frohsinns, als an den
grossartigen Schöpfungen eines Ca ld ero n , S hakesp eare, R acine oder
S chiller. Diese Namen sind in dem grösseren Publicum von Bahia wohl
schwerlich noch gehört worden; vielmehr pflegt man hier die Ueberset-
zung eines modernen spanischen oder französischen Schau- oder Lustspieles,
und nach demselben, zur Belustigung des Parterres, eine triviale Posse
aufzuführen. Das Orchester in dem Theater ist gut eingeübt, und spielt
die Ouvertüren von Pl e y e l , G irow e tz, B oyeldieu und R ossini mit Fertigkeit;
denn die Brasilianer sind alle gebome Musiker. Ausser dem Theater
werden in der neueren Zeit noch einige Belustigungsorte besucht, wo
sich die Gesellschaft mit Karten- Pfänder - und Lottospielen unterhält.
Der starken Neigung zum Karten- und Würfelspiele giebt man sich aber
vorzüglich in den Kaffehäusern hin, und in gewissen Apotheken versammeln
sich geschlossene Gesellschaften zu ähnlichen Unterhaltungen. In den
reichsten Häusern werden von Zeit zu Zeit grosse Gastereien gehalten,
bei welchen der Wirth die solide, oft altmodische Pracht seines Hausund
Tischgeräthes zur Schau legt) und die Gäste, nach altportugiesischer
Sitte einen kleinen vergoldeten Degen an der Seite, unter dem Zwange
einer gewissen Etikette die Freuden . einer herrlichen Tafel geniessen.
In andern Zirkeln bewegt man sich freier;, ehe man sich zu Tische
setzt, werden in einem benachbarten Zimmer vveisse,Jäckchen vom feinsten
Zeuge angezogen, damit man um so kühler speise, weshalb gewöhnlich
auch die Fensterläden angelehnt werden. Hier erscheint gegen Ende
der Tafel eine Bande Spielleute, durch deren, oft sehr unmusicalische Ac-
corde man endlich zu dem Landum fortgerissen wird , welchen die Damen
mit grosser Anmuth zu tanzen pflegen. Gesang und der Geist des
beliebten Champagnerweins beseelen diese heiteren Gesellschaften, aus denen
man sich oft erst mit Sonnenaufgang entfernt. „F ü r die niedrigeren Stände
sind Spaziergänge während der Feiertage die gewöhnlichsten Belustigungen,
und jene nehmen dazu vorzüglich Gelegenheit von den Jahrestagen
der verschiedenen Kirchenpatrone im Pteconcavo, zu deren Verherrlichung
Märkte, unter dem Zusammenflüsse einer grossen Volksmenge,
gehalten werden. Die Feierlichkeiten am Feste de IVosso Senhor do
Bom Fim in der Vorstadt dieses Namens, welche jährlich zweimal gehalten
werden, versamrtieln dort eine unzählige Volksmenge, und dauern,
bei Illumination der Kirche und der benachbarten Gebäude, einige Tage und
Nächte ‘hindurch. Der Lärm und die ausgelassene~Lustigkeit der zahlreich
versammelten Neger giebt diesem Volksfeste einen'sonderbaren, bizarren
Charakter, von welchem sich nur diejenigen eine Vorstellung machen können,
die die verschiedenen Menschenragen in ihrer Vermischung zu beobachten
Gelegenheit hatten. Eben so anziehend für “den Betrachter entfalten
die • verschiedenen Stände und Ragen ihre Eigenthümlichlieiten,. wenn
sie sich, bei Anlass einer religiösen Procession., auf die Strassen Bahia's
ergiessen. Der prunkende Aufzug zahlreicher Brüderschaften von allen
Farben, welche einander in der Kostbarkeit ihrer Gewänder, Fahnen
und Insignien zu übertreffen suchen, wechselnde Reihen von Benedictinern,
Franciscanern, Augustinern, beschuhten und unbeschuhten Carmeliten,
Almosenierern von Jerusalem, Kapuzinern, Nonnen, von in der Gugel verkappten
Büssenden, — daneben die portugiesischen Linientruppen von
kräftigmartialischer Haltüng und die unkriegerischen Militzen der Haupt-
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