Reisende, dass er sich auf einer vegetabilischen Brücke befindet; die,
leicht gewoben aus den verbreiteten Halmen und Wurzeln perennirender
Gräser, über einem Abgrund klaren und süssen Wassers schwanket. Man
nennt diese seltsamen Zitterwiesen Tremetaes oder JBalsedos. Sie entstehen
wahrscheinlich durch allmäliges Ausspühlen des Erdreiches., vermittelst
des Andranges der See, deren Ebbe und Fluth selbst in den kleinsten
maritimen Bächen bemerkbar ist, und, wo sie tiefer im Lande liegen,
durch Ansammlung und Ausbrechen unterirdischer Quellen. Ueber-
haupt ist es der Reichthum an Quellen, Bächen, Flüssen und Teichen,
weichen man von nun an, gegen den Aequator hin und in dem ganzen
Gebiete des Amazonenstromes, wahrnimmt, wodurch allen diesen Gegenden
ein eigenthümlicher Charakter verliehen wird. Hier, in so mächtig
bewässerten Auen, vermag selbst die glühende Sonne der trocknen Monate
nicht, der Vegetation ihr üppiges Grün zu nehmen; niemals stocken
die Säfte der Pflanzen, und Blumen und Frucht folgen sich in fast regelmässiger
Succession den grössten Theil des Jahres hindurch. Die Wälder
wachsen in diesem stets verjüngten Theile der Erde zu einer fast unglaublichen
Höhe auf, und die Wiesen erhalten beständig ihre saftige Frische. Eine
indianische Bezeichnung dieser üppigen Grasfluren der Provinz Maranhäo
ist P e r i (plur. P e r iz e s ), deren Uebereinstimmung mit den B e r i-B e r is ,
oder Savannen, in Florida die Aufmerksamkeit der Sprachforscher zu verdienen
scheinet. Die P erizes erstrecken sich von Alcantara gegen N. bis
zu den f^illas de S. Jodo de Cortes und Guimaraes, und umgeben die
Bai von Cumä,* aus welchem Grunde man vielleicht den ganzen District
mit dem Namen Pericuma bezeichnet. Jenseits des Rio Tury-assu,
welcher die Grenze zwischen den Provinzen Maranhäo und Para bildet,
erscheinen sie in grösserer oder geringerer Ausdehnung zwischen den
dichten Urwäldern. Sie sind Ruhepuncte für die wenigen Reisenden, welche
die beschwerliche Landreise von Maranhäo nach der Hauptstadt von
Para unternehmen; einen W e g , den zuerst der muthige P edro T e ix e ir a
(i. J. 1616) eingeschlagen hat. Nach S. und S. W . setzen sie bis an
die Ufer de3 Rio Pinare und die Villas yianna und Mongäo fort. Einen
grossen Theil dieser eigenthümlichen Wiesengegenden an der m Bahia
de Cumä zu besichtigen, war in dem Plane gelegen, als w ir uns nach
Alcantara begeben hatten; w ir Hessen uns daher durch den in Strömen fallenden
Regen nicht abhalten, und schifften Morgens drei Uhr mit der Fluth in
einem der engen Canäle jener Gegend gegen W . landeinwärts. Am Ende
desselben, in dem sogenannten Porto de Tucupahy, angelangt, hatten
w ir eine schmale Landstrecke zu durchschneiden, um an dem Porto do
Carvalho zu einem andern Iguarape zu gelangen, der in die Bai von
Cumä' mündet. Da das Ungewitter immer fortdauerte, und w ir entweder
auf die Cajütte unseres kleinen Fahrzeugs oder auf die Häuser der
wenigen Fazendas, die in unserem Weg e lägen, beschränkt waren, so
standen w ir , nach fruchtlosen Versuchen, von unserem Unternehmen ab,
und kehrten, zufrieden mit der Ansicht von den verschiedenen Zweigen der
Landwirtschaft in Maranhäo, yvelehe w ir auf diesem Weg e gewonnen
hatten ( 9 .) , nach Alcantara zurück. Der Hafen dieser Villa hat im Allgemeinen
nur drei bis' vier Klafter Tiefe, und einige Canäle Fahrwasser
von sechs bis acht Klafter; er wird daher nur von kleinen Fahrzeugen
besucht; diese aber vermitteln einen sehr lebhaften Verkehr mit der Hauptstadt,
so dass auch w ir sogleich Gelegenheit fanden, am nächsten Tage
nach derselben zurück zu kehren. Vorher besuchten w ir noch eine Indigofabrik,
welche vor Kurzem in der Nähe der Villa war angelegt worden.
Einrichtung und Manipulation schienen söfir unvollkommen zu seyn.
Die Kübel, in welchen das Kraut der sogenannten Cahauussu oder Anil-
pflanze {Indigofera A n il, tinctoria, L . u. a.) zerquetscht, und sodann
mit Wasser übergossen wurde, standen mit den andern, worin der Niederschlag
des Indigo aus dem Wasser erfolgen sollte, in gar keiner Ver4
bindung, sondern mussten mit Eimern ausgeschöpft werden; die Beutel
worin die deponirte Masse trocknen sollte, waren unrein und aus grobem
Baumwollenzeuge verfertigt. Der hier gewonnene Indigo hatte theils die
Form Von kleinen kreissrüftden Pasten erhalten, theils stellte er ganz unregelmässige
Klumpen dar; sein Korn war von ungleicher Festigkeit, bald
mehlig, bald sehr hart Ah andern Orten in der Nähe der Villa bemerkten
w ir einzelne weisse Maulbeerbäume {Morus alba, L . ) , welche unter
der Regierung von D. Jqze auf Veranlassung des Marquis Pombal gepflanzt
worden waren, um die Seidenzucht 'einzuführen; sie standen aber
schon lange Jahre unbenützt, indem dieser Industriezweig nach wenigen
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