ten wir endlich auf eine breitausgehauene, zum Theile ziemlich reine
Strasse, und erfuhren, dass dies die sogenannte Estrada de Minas oder
do Rio Pardo se y , welche vor wenigen Jahren von Ilheos aus bis an
jene Grenzstation von Minas Geraes geführt worden sey, gegenwärtig
aber nicht mehr benützt werde. Die Absicht bei diesem Unternehmen,
welches vorzüglich von dem Hm. Marschall F e lisb er to C a l d e ir a , und
zwar mit einem Aufwande von fünfzehntausend Crusados aus seinem eigenen
Vermögen, ausgeführt wurde, war hauptsächlich, die Küstengegenden
von Ilh eo s, welche gar keine Viehzucht besitzen, an dem Ueber-
flusse der Sertoes von Barra da F'areda^ I^alo, Ressacjue u. s. f., östlich
von dem Arraycd do Rio Pardo, Theil nehmen zu lassen, und
einen W e g für die Producte des Innern an die Küste zu erhalten, welcher
kürzer und den Unbequemlichkeiten der Dürre, des Wassermangels
und der Hungersnoth weniger unterworfen wäre. Das höchst beschwerliche
W e r k ward von einem Verwandten des genannten Patrioten,
S. F e lisb er to G ome3 d a S i l v a , einem sehr würdigen Ofticiere, ausge-
fuhrt, den w ir in Bahia kennen zu lernen das Vergnügen hatten, und
dessen Tod von meuchelmörderischer Hand während der politischen Unruhen
jener Stadt i. J. 1822 w ir mit seinen zahlreichen Freunden beklagen
müssen. Man hieb den Wald überall wenigstens in der Breite von
zwanzig Fuss aus, und räumte Stämme und Gesträuch aus dem Wege,
baute Brücken, trocknete Gräben aus: Arbeiten von der grössten Gefahr
und Mühseligkeit. Um den Verkehr auf der neuen Strasse, welche
grösstentheils durch vorher unbekannte, von den C«mace«?s-Indianem bewohnte
Wälder führt, zu beleben, legte man Plantagen von Mais und
Mandiocca an; man that Alles, um das W e rk gemeinnützig zu machen;
allein grosse Hindernisse haben die wohlmeinenden Absichten des patriotischen
Unternehmers vereitelt. Die Nahrung an Gras ist in diesen Urwäldern
so spärlich, dass das Vieh oft ganz entkräftet die Küste erreichte; hier
fehlte es an schicklichen Gelegenheiten, um nach Bahia zu kommen; die
Mannschaft litt öfter von Fiebern oder von den Nachstellungen ungezähm-
ter Indianer. Alle diese Verhältnisse haben die Sertanejos bestimmt, für
ihre Ochsenheerden (Boiadas) und Pferdeheerden (Cavcdlarias) die zwar
längeren, und häufig von grosser Dürre heimgesuchten, aber bereits geÖQ1
wohnten Weg e über Conquista oder längs dem Rio Gaviäo einzuschlagen.
Wie sehr diese Strasse binnen wenigen Jahren verwildert war,
hatte S. D. M a x im il ian v o n N e uw ie d erfahren, als derselbe sie bis an
die Grenze von Minas Geraës verfolgte*). Auf einem Weg e von wenigen
Stunden hatten w ir Gelegenheit, uns von den schnellen Fortschritten
zu überzeugen, mit welchen hier die Vegetation das W e rk des Menschen
verspottet, und einen Vorschmack von den Mühseligkeiten erhalten, die
jener fürstliche Reisende auf diesem Weg e zu erdulden hatte.
Das Oertchen, welches den Nennen F illa de S. Pedro de Alcan-
tara, zu Ehren des jetzigen Beherrschers von Brasilien, trägt, und früher
A s Ferradas genannt wurde, besteht aus sechs bis acht elenden
Lehmhütten, einer kleinen Kirche von ähnlicher Bauart, und einigen offenen
Schoppen, in denen w ir , bei unserer Ankunft, drei Familien der
Guerens, welche von Almada hierher waren übersiedelt worden, und
einige Individuen, besonders Weiber und Kinder, vom Stamme der Ca-
macans vorfanden. Die letzteren bilden gegenwärtig den Hauptstock der
Bevölkerung, und zählen etwa sechzig bis siebzig Köpfe; eine eben so
grosse Anzahl war an einem bösartigen Fieber gestorben, oder hatte sich
bald nach der Anlegung der Ortschaft wieder zerstreut. W i r trafen gegenwärtig
auch jenen Rest nicht vollständig, da die meisten Männer be-,
reits seit acht. Tagen auf einem Streifzuge gegen die Grenze von Minas
abwesend waren, woher sie Rohre zu Pfeilen, und eine Pflanze, um
die Spitzen derselben zu vergiften, abholen wollten. Alle diese Indianer
waren hier durch die Bemühungen eines ehrwürdigen Geistlichen von dem
Kapuzinerkloster zu Bahia, Frey L ud o vico L io r n e (von Livorno) versammelt,
und, so wie in den ersten Lehren der Kirche, im Ackerbaue
unterrichtet worden. Wenn irgend Jemand es vermag, diese unstäten
und rohen Söhne des Waldes zu sanfteren Gefühlen umzubilden, und
für die Stimme der Religion empfänglich zu machen, so musste es dieser
würdige Greis seyn. Ruhe und Heiterkeit sprechen aus den edlen
*) s. Reise nach Brasilien in den Jahren i8i5 bis 18 17 , von Maximilian Prinz zu W ied-
Neuwied. II. 4t0- S. 1-23. ff.