Die Xerentes *) sind eine sehr zahlreiche Nation nnd Antropophagen. Sie
sollen sogar ihre Verwandten tödten und essen, wenn diese, durch Altersschwäche
unvermögend, sich seihst zu ernähren, der übrigen Familie
zur Last fallen. Bei ihren Einfällen in die Fazendas der Ansiedler verschonen
sie Nichts, und versichern sich besonders der Pferde, deren
Fleisch sie vorzüglich lieben. Ihre zahlreichsten Wohnorte (Aldeas) liegen
zwischen dem Ara.gu.aya und Tocantins, von wo aus sie weite
Streifzüge unternehmen. Die mächtigste und zahlreichste Nation in dem
nördlichen Theile von Goyaz sind, so wie deren Todfeinde die Cajapös im
südlichen, die Chavantes. Sie wohnen auf beiden Seiten des Araguaya
und Tocantins, und sind auf ihren verheerenden Zügen bisweilen selbst
den einsamen Fazendas am Rio das Balsas in der Provinz Maranhäo
gefährlich. Man hat mehrere Aldeas derselben schon civilisirt, ohne jedoch
dadurch die Kraft des Stammes zu brechen, noch dem’ Staate Bürger zu
verschaffen, da die Neuangesiedelten sehr häufig Opfer von Blatternseuchen
wurden, oder wieder in die Freiheit zurückkehrten. Diese Indianer sind von
hohem Wüchse und sehr heller Farbe. Sie sind muthig und gehen ihren Feinden
offen und bei Tage entgegen, während die Cajapös nächtliche Ueberfalle
vorziehen. Ihre Waffen bestehen in Bogen und Pfeil von sechs-Fuss Länge,
und einer vier Fuss langen Keule, welche oben nach Art eines Ruders
verflacht ist. Zu der Führung dieser mächtigen Waffe gewöhnen sie sich
durch mancherlei K am p fsp ielevo rzüglich durch das Tragen eines zwei
bis drei Centner schweren Holzblo'ckes, den sie im Laufe von sich schleudern.
Der Jüngling, welcher diess nicht vermag, darf auch nicht heurathen.
Sie bewachen die Keuschheit der Jünglinge, und halten dadurch die der
Mädchen gesichert; doch erlauben sie dem Kühnsten im Kriege den Genuss
der Braut; aber eheliche Untreue des Weibes strafen sie mit dem
Tode. W ie bei allen brasilianischen Wilden trägt auch hier das schwächere
Geschlecht alle Sorge des Haushaltes und der Erziehung. Sie sind
übrigens geschickt in Handarbeiten, und würden, wenn nicht durch ange-
bome Indolenz verhindert, gute Handwerker werden. Im Schwimmen
und andern Leibesübungen zeichnen sie sich eben so sehr aus, wie durch
*) Die folgenden Nachrichten verdanken wir der schriftlichen Mittheilung des Senhor
Padre Jardin in Villa Rica, welcher lange Zeit in Goyaz gelebt hat.
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eine gewisse sichere und edle Haltung in ihrem Benehmen, und durch die
Offenheit ihrer Gesichtszüge, wodurch sich besonders die Weiber empfehlen
sollen. Auch ist ihnen die Idee der Unsterblichkeit nicht fremd, und
sie hoffen nach dem Tode in ein besseres Land zu kommen. Von dem
Cultus eines höheren Wesens findet man aber keine Spur bei ihnen, es sey
denn, dass die Feste, welche sie in den Monaten März und April während
des Vollmondes feiern, sich hierauf bezögen. Ihre Sprache ist im Ausdrucke
minder kräftig, jedoch reicher an Umschreibungen und weicher, .als die
der Cajapös, welfche sehr einfach aber energisch seyn, und durch verschiedenartige
Betonung der Worte verschiedene Zeiten und Aflecte aus-
drücken soll. Mit den Reisenden auf dem Araguaya und Tocantins pflegen
sie bisweilen zu handeln, indem sie gegen Wildpret, Honig, Wachs
und Vogelfedern Eisenwaaren, Branntwein u. s. f. eintauschen. In gleicher
Absicht erscheinen bisweilen am Strome die Carajas, ein kleiner,
schwacher Stamm, welcher schon Ananas, Mais, Pisang und Mandiocca
pflanzt, aus der Wurzel der letzteren Pflanze eine Art Brod und ein ge-
gohrnes Getränke bereitet, während der nassen Monate die höheren Gegenden
bewohnt, und während der trocknen sich in der Nähe der Flüsse
niederlässt.
Um die Reisenden auf dem Tocantins vor .diesen Indianern zu sichern,
und die Einnahme der nothwendigsten Bedürfnisse in minder grossen
Entfernungen möglich zu machen, hat die Regierung bereits mehrere
Einrichtungen getroffen , welche aber alle bis jetzt die beabsichtigten
Zwecke nur unvollkommen erreicht haben. Hierher gehören die Errichtung
einer Schiffahrtsgesellschaft, durch deren Vermittlung sichere Häfen,
Waaren- und Proviantplätze angelegt und die örtlichen Hindernisse, die
hie und da der Beschiffung des Stroms entgegenstehen, gehoben werden
sollten. Obgleich nämlich den Unternehmern grosse Vortheile zugesichert
wurden, ist doch, so .viel wir wissen, die Gesellschaft niemals ins Leben
getreten. Die Anlegung einer r i l la de S. Joäo das duas Barras am
Zusammenflüsse des Araguaya mit dem Tocantins wurde bereits 1809
anbefohlen, hatte aber mit so mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen,
dass man sich zur Zeit unserer Anwesenheit in Paranän viel mehr E r