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kommen dieser krankhaften Haarbildung in zwei so entfernten Gegenden,
welche jedoch darin mit einander Übereinkommen, dass die Erdoberfläche
reich an auswitternden Salzen ist, einiges Licht auf das ursächliche Ver-
hältniss derselben.
Die einsame Lage des volksarmen Oertchens war übrigens sehr
geeignet, uns flüchtige Reisende mit dem wohlthätigsten Gefühle behaglicher
Ruhe zu durchdringen, wie es uns nur selten zu Theil werden konnte.
In solchem Gemüthszustande wandten w ir , während der langen Nächte,
unsere Augen gerne zü den südlichen Sternen, die hier, am wolkenleeren
Himmel, mit Ungewöhnlichem Glanze leuchteten. Aus der tiefen
Stille, welche uns umgab, zu den unendlichen Lichtwelten des südlichen
Firmamentes, zu der weithinschimmernden Argo,*dem prächtigen Centaur,
dem hellen Viergestirne des;-südlichen Kreuzes, hinaufzuschauen, bereicherte
uns mit den erhebendsten Gedanken. Es war uns, ’ als leuchteten hier
die ungeheueren Sonnen, Sirius, Spica, Alphard, mit verdoppeltem Glanz
e ; an jenen südlichen Sternen aber, die w ir im Vaterlande nicht mehr
sehen würden, an FomahandT Antares, dem Acharnar und Kanopus weilten
unsere Blicke mit zwiefacher Liebe, indem w ir dem Sinne die Aufgabe
machten, sich mit einer Anschauung für’s ganze Leben zu erfüllen.
W e r wollte diese Bestrebung eitel nennen? — ist es doch das Unerreichbare,
das für immer Verlorne, was die tiefste Sehnsucht des Menschen
erwecket.— Mächtiger aber, als der Glanz jener Sonnen hat mein Ge-
müth das schwarze Dunkel der stemenlosen Räume ergriffen, in die sich
das irrende Auge, mitten zwischen dem Schimmer von Millionen Welten,
am südlichenPole verliert. V o r ihnen, gleichsam denPforten eines zweiten,
menschlichen Sinnen unerreichbaren Firmamentes, dem stummen Bilde der
Unendlichkeit, weilt der menschliche Geist, vom Schauder der Ewigkeit überwältigt.
Das Leben des Menschen aber gefällt sich im buntesten Wechsel der
Gefühle, denn während wir uns in einer jener stillen Nächte den erhabensten
Eindrücken hingaben, ertönten plötzlich die Glocken herbeiziehender Maul-
thiere , und der Arieiro M iguel erschien mit dem Reste des Trupps, welchen
wir in Villa Nova zurückgelassen hatten. Da ward unser Dollond’-
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sches Fernrohr eingepackt,, und emsig an die Förderung der Reise gedacht.
W i r setzten am 21. April in einer grossen Fähre, welche an Seilen
läuft, über den Strom, und betraten, bei dem Registo do Joazeiro,
die Provinz von Pernambuco. Die hiesige Passage des Rio de S. Francisco
ist die besuchteste des ganzen Sertäo von Bahia, und wichtiger, als
die übrigen, bei den F illa s de Piläo Arcado, da Barra do Rio Grande
und de Urubü. Hier durch geht der Landhandel nach Piauhy und Ma-
ranhäo, so wie durch die genannten Ortschaften der nach Goyaz und Mat-
to Grosso. Der wichtigste Artikel-der Durchfuhr ist Schlachtvieh für Bahia;
zwar werden auch europäische Waaren, und in neuerer Zeit, seitdem
der Sclavenhandel zwischen Para, Maranhäo und Pernambuco mit
den nördlichen Küsten von Westafrica schwächer geworden ist, viele Scla-
ven, für die thätig betriebenen Pflanzungen von Maranhäo, durchgeführt,
sie tragen aber dem Gouvernement viel weniger ein. Die Zahl des jährlich
durchgeführten Schlachtviehes beläuft sich jetzt auf zwanzigtausend
Stücke; früher, als das Bedürfniss in Maranhäo geringer, und der Landw
eg von Piauhy nach Pernambuco unbetreten wa r , zählte man jährlich
fünfzig bis sechzigtausend Stücke. Die Regierung hat die Einnahme dieses
Zollamtes an den Meistbietenden, - eine Familie in Pernambuco, um die
jährliche Summe von fünf bis sechsmalhundert tausend Réis- verpachtet.
Früher war die Pachtsumme grösser, bis zu einem Conto dé Reis. Man
zahlt für einen neueinzuführenden Negersclaven {Negro novo) hundert,
für ein Stück Rindvieh und für ein junges ungezähmtes Pferd (Poltrè)
achtzig, und für ein gezähmtes Pferd dreihundert und zwanzig Rëis. In der
Passagem do Joazeiro kommen zwei Strassen aus Piauhy zusammen,
welche man gewöhnlich die Travessia Nova nennt. Diese führen, bald
näher, bald ferner vom Rio de S. Francisco, an die Quellen des Rio
Canindé (Calindé) , und an diesem hinab nach Oeiras. Eine dritte Strasse,
im Osten von diesen beiden kommt tiefer unten am Strome, zwischen
der Mündung des Flüsschens Pontal und dem Arrayal Quebrobo heraus.
Westlich von der Travessia Nova wird- die Provinz Piauhy mit
dem Sertäo des Rio de S. Francisco durch die Travessia P e lh am Verbindung
gesetzt. I Diese Strasse beginnt bei dem Oertchen Sobrädo am
Strome, und folgt dem Laufe des Rio P ia u h y , welchen sie, gemäss ih