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wohllüstigen Unthätigkeit, umgeben von einem zahlreichen Serail, aus Indolenz
oder Eifersucht, dom Fremden unzugänglich. Oestlich von der
Serra de Joazeiro erhebt sich der W e g allmälig, und fuhrt endlich in
ein, auf beiden Seiten von hohen Bergen eingeschlossenes Thal. Um in
der V illa do Rio de Contas die nöthigen Vorbereitungen zu treffen, liess
ich hier, in der Fazenda Tapera, den Trupp zurück, und setzte die Reise,
blos im Geleite eines schwarzen Führers, nach Sonnenuntergang fort. Der
Mond erschien an dem, in ein warmes Violett gekleidetem Firmamente,
und beleuchtete mit ungewöhnlicher Klarheit die Gebirge, Serra da V illa
V e lh a ; ich konnte mit Leichtigkeit die kühnen Umrisse derselben
und die verschiedenen Baumgruppen unterscheiden, welche in diesem schönen
Thale mit Blüthen überschüttet, einen ambrosischen Wohlgeruch ausströmten.
Dieser plötzliche Uebertritt aus einer öden, ausgebrannten Gegend
in eine heitre Frühlingslandschaft musste um so erquickender auf das
Gemüth wirken, als w ir , nach den bisherigen Erfahrungen und der Aussage
der Bewohner, bis Bahia keine Regung der wieder auflebenden Natur
zu hoffen hatten. Auch war es nur ein örtlicher, vielleicht durch die
Bildung der Berge verursachter Regen, was die Vegetation wie im Zauberschlage
hervorgelockt hatte. Zum ersten Male seit langer Zeit fühlte
ich hier meine Kleider von dem nächtlichen Thaue benetzt, eine Erscheinung
, welche ich keineswegs durch die höhere Lage des Ortes und die
deshalb eintretende schnellere Reduction der wässerigen Dünste in dem
Luftkreise zu erklären wagte, da w ir während der trocknen Monate in
Minas Geraes an gleich hohen und höheren Orten keine Spur von Nacht-
thau wahrgenommen hatten. Eher glaubte ich die Ursache in einem
ziemlich heftigen Nordwinde suchen zu müssen, den ich seit längerer
Zeit im Sertäo, wo fast stets Ostwinde herrschten,-* nicht bemerkt
hatte. ( i . ) Auch die g Thiere waren hier mit dem belebenden Eintritte
der Feuchtigkeit aus ihrer Erstarrung erwacht; tausende von grossen
Cicaden betäubten mich mit ihrem lauten monotonen Geschwirre, durch
welches ich endlich, in der Nähe von Villa V e lh a , das Brausen des
Rio Brumado vernahm, eines klaren Bergstromes, der seiner Verbindung
mit dem Rio de Contas zueilt. Villa V e lh a , der „alte Flecken“ ,
war eine der frühsten Niederlassungen im Sertäo von Bahia, entvölkerte
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sich aber mit der Entdeckung der Goldminen in dem nahen Gebirge und
der dadurch veranlassten Gründung der V illa do Rio de Contas (1724).
Die Fazendeiros benützen die glückliche Lage des schönen Thaies, durch
welches ihre Höfe zerstreut liegen, für Viehzucht und für den Anbau deb
Baumwollenstaude. Letztere kömmt hier fast eben so gut fort, als in den
Catingaswäldem am Rio Gaviäo und in den Hochebenen von Minas Novas
und Cayteté. Eine gute Staude liefert zehn bis fünfzehn Pfunde mit
den Kernen, und drei bis fünf Pfunde reiner Baumwolle. Auf der Höhe
des benachbarten Gebirges gedeiht dagegen diese nützliche Pflanze nur
selten. W i r bemerkten in dem grasigen Grunde des Thaies, dessen Ansicht
w ir dem Atlas beigefügt haben *), zahlreiche Stämme von Hymenäen,
von denen fusslange Nester einer Beutelmeise (Anabates m fifro ns , Neuvui)
und eine sonderbare Art schwarzer Ameisennester herabhingen. Die
letzteren sind besonders deshalb merkwürdig, weil sie, vermöge der animalischen
Kitte, welche ihre kunstreichen Erbauer anwenden, eine ausserordentliche
Härte und Dauerhaftigkeit erhalten.
Eine Legoa nordöstlich von der Villa Velha liegt die Villa do
Rio de Contas. W i r mussten, auf einem steilen, hie und da gefährlichen
W e g e , fast zwei Stunden lang emporsteigen, bis w ir diesen ersehnten
Ruhepunct erreichten. Das Gebirge, welches die Einwohner bald
Serra do Rio de Contas, bald da Villa Velha oder do Brumado nennen,
möchte sich wenigstens zwölfhundert Fuss über Villa V e lha erheben,
und zeigt vollkommen die Verhältnisse der Gebirge des Minenlandes.
Den Fuss desselben bildet ein meistens dünnschieferiger Glimmerschiefer,
bald mit vorherrschendem Quarze, bald mit vorherrschenden Glimmerblättchen;
auf diesem lagert röthlicher und weiter oben weisser Quarzschiefer.
Das Streichen dieser, in sehr verschiedener Mächtigkeit geschichteten,
Bildungen ist im Allgemeinen von N .N .W . nach S. S .O ., das Fallen
nachW ., und zwar geringer in den unteren, als in den oberen Schichten.
Der untere Theil des Gebirges ist mit lichter Waldung bedeckt, deren
baumartige Gräser und Farn eine grosse Aehnlichkeit mit der Flora vom
*) Siehe die Tafel: „Villa Velha.“
II. Theil.
«Cf:
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