- Sgl -
Nachdem wir schliesslich einen hohen, nord-südlich laufenden
Hügelzug überschritten, erreichten wir das rechte Ufer des St. Paul,
den wir seit unserer Abreise aus Bavia nicht mehr zu sehen
bekommen hatten. Ueber und unter uns hörten wir das Tosen
von Stromschnellen,, und’ uns gegenüber lag auf einem 40-50'
hohen Hügel im Flusse, nur durch einen beträchtüch schmalen
Arm vom rechten Ufer getrennt, die kleine Stadt Al in. Sobald
man uns bemerkte, kam ein Neger in einem kaum zehn Fuss
langen und noch keine anderthalb Fuss Durchmesser haltenden
Canoe angerudert, um uns, Einen nach dem Ändern, hinüberzuholen.
Ich habe mir aus Wasserfahrten in Canoes nie viel
gemacht, als aber die Reihe der Ueberfahrt an mich kam und
es sich herausstellte, dass ich, obschon halb seitlich in das enge
Ding hineingezwängt und auf dem Boden des Fahrzeuges sitzend,
dennoch das Gleichgewicht nicht behalten konnte, beschlich mich
zum ersten Male eine gewisse Bangigkeit, welche selbst mein
nackter Charon mit mir zu theilen schien. Um mit meinem
langen Oberkörper das Gleichgewicht nicht zu stören, legte ich
mich schliesslich der Länge nach ins Canoe, das ich beinahe
anfüllte, binm'n und wurde dank dieser Massregel wohlbehalten
hinüberbefördert.
Mit Ausnahme der früher erwähnten Flussaxgonauten hatte
wohl in Alin noch Niemand einen Weissen gesehen, und schon
bevor ich den Boden dieser natürlichen Festung betrat, hatte
sich ihre ganze Einwohnerschaft am Ufer versammelt und gaffte
mich nun voll Neugierde an. Die kühnen Flusschiffer hatten
nach ihrer Rückkehr von Millsburg von uns und unserer Station
in Bavia erzählt, und gleich bei meiner Ankunft drängten sich
zwei derselben aus der Menge hervor und begrüssten mich unter
dem üblichen Händereichen und Fingerschnalzen als alten Bekannten.
Nach dieser ersten flüchtigen Begrüssung wurden wir
in die Stadt hinaufbegleitet und dort im grossen Palaverhause
dem verschmitzt aussehenden Häuptling und seinem Hofstaate
vorgestellt. Eine lähgere Unterhaltung war mir jedoch in meinem
Zustande weniger erwünscht, und so wurde denn auf mein
Verlangen durch zwei Sklaven sofort ein grosses Feuer angelegt,
worauf ich mich, so gut es angieng, meiner nassen Eleider
entledigte und den Rest am Leibe trocknete. Während dessen
wurde ich von einer grossen Zahl von Leuten umlagert , welche
Tabak zu haben wünschten und die Hütte derart anfüllten, dass
ich mich kaum mehr bewegen konnte. Ich wurde vorläufig mit
einigen im Feuer gerösteten Kassaven bewirthet und bald nachher,
als meine Eleider wieder einigermassen getrocknet waren,
nach dem Hause des Häuptlings geholt. ■ Dort wurde mir durch
eine seiner Frauen ein hölzerner, rauchgeschwärzter Napf mit
Reis und Palaversauce1) vorgesetzt. In Ermangelung eines Löffels
war ich genöthigt, mit den Händen zuzugreifen.
Nach Einbruch der Nacht wurde Rath gehalten, und sowohl
der Häuptling von Alin als sein Vetter Zokü Dubbäh, der als
Dolmetscher auftrat, suchten mich zu bewegen, diesen Platz zur
Anlage unserer künftigen Jagdstation zu wählen. „Plenty meat
Uve in this country, ah! too mueh”s), wurde mir immer und
immer wiederholt, und die Umgebung von Alin als das
Eldorado der Jäger angepriesen. Aus einigen in der Golahsprache
gewechselten Worten, die ich mehr errathen als verstehen konnte,
und aus ihrem ganzen geheimnissvollen Thun glaubte ich jedoch
schliessen zu müssen, dass man mich auf die eine oder andere
Weise in eine Falle locken wolle, um mich nachher besser
ausbeuten zu können. Darum erklärte ich, am nächsten Morgen
die Gegend selbst besichtigen zu wollen, bevor ich einen Beschluss
fasse. In einer nicht sehr geräumigen Hütte wurde mir nun
durch den Häuptling eigenhändig das Nachtlager bereitet, d. h.
auf dem harten Thonboden ein grosses inländisches Tuch ausgebreitet
und ein anderes bereit gelegt, um mich damit zuzudecken.
Ein halbrunder Holzklotz diente als Kopfkissen. Hinter der Thüre,
d. h. einer in der Thüröffnung hängenden Matte, die von innen
durch einen Querstock befestigt werden konnte, lagerten sich
meine zwei boys. Das Bewusstsein, dass jeder unerwünschte
Besucher diese beiden schlafenden Cerberusse beim ersten Schritt
wach treten musste, verlieh mir ein solch wohlthuendes Gefühl
*) Siehe hinten: die Speisen und ihre Bereitung.
2) Viel Fleisch (alles essbare Wild — und was wäre bei diesen Leuten
nicht essbar? — wird hier kurzweg Fleisch genannt) lebt in dieser
Gegend, ahl zu viel! ■