durch ihre dem Abendtische kaum nachstehende Reichhaltigkeit
überzeugte, dass die Missionäre auch in chimärischer Hinsicht
dem Leben in der afrikanischen Einsamkeit seine gute Seite
abzugewinnen wissen, Erst später freilich lernte ich begreifen,
dass eine reichliche Ernährung, und namentlich auch eine gewisse
Variation in den verschiedenen Mahlzeiten und Gerichten, zu den
Hauptbediügungen gehören, um in diesem Lande auf längere
Zeit hinaus gesund und bei Kräften zu bleiben. Gute, reichliche
Kost kann auch dort geradezu Wunder thun, und ich bin
überzeugt, dass wir selbst bei besserer Ernährung es länger in
jenem Lande ausgehalten, hätten, als dies wirklich der Fall war.
Mr. und Mrs. Day.
Um neun Uhr begleiteten wir Mr. und Mrs. Day zum Gottesdienste
in das •mit einem Glockenthürmchen versehene Schul-
haus, das zugleich auch als Kirche diente. Ich war nicht wenig
erstaunt, dort ganze Reihen rationell construirter, zweiplätziger
Schulpulte zu finden, die Mr. Day aus Amerika erhalten hatte.
Der Gottesdienst war eine Art Kinderlehre mit ordentlich eingerichtetem
Kirchengesang, den Mr. Day auf einem Harmonium
begleitete. Das sämmtliche Personal der Mission, sogar die alte
Köchin, war dabei zugegen. Die ganze Versammlung befand sich
in einer feierlich ernsten Stimmung, da Mr. Day es vortrefflich
verstand, seinen Vortrag dem beschränkten Fassungsvermögen
des schwarzen Auditoriums anzupassen und seine Erörterungen
durch greifbare Beispiele zu erläutern.
Nach dem Gottesdienste begann die Schule. Die etwa 60
Schüler und Schülerinnen in einem Alter von 6—12 oder mehr
Jahren waren in verschiedene Klassen eingetheilt, deren jede
einem etwas ältern, mehr entwickelten Zöglinge unterstellt war,
während Mr. und Mrs. Day persönlich die Oberaufsicht führten.
Alle diese Kinder waren hinlänglich mit dem nöthigen Schul-
material versehen. Ueber das in der Woche Behandelte wurde
eine Art Repetitorium gehalten. .Es war überhaupt eine Freude,
wahrzunehmen, wie die Kinder ihre englischen Buchstabir- und
Lesestücke1) zu entziffern suchten, mit ihren magern Händchen
einen Buchstaben nach dem ändern auf Schiefertafel und Papier
malten oder sich in den Rechenkünsten der vier Species übten.
Einzelne hatten es mit ihren Kenntnissen schon recht weit
gebracht, und ihre grossen Augen glänzten ordentlich vor Freude,
wenn man ihrem Eifer durch ein anerkennendes Wort Gerechtigkeit
widerfahren liess.
. Unter den Missionskindern fand ich zu meinem nicht geringen
Erstaunen zwei Albinos mit-röthlich blondem Haar, hellgelber
Hautfarbe und licht brauner, fast röthlicher Iris. Mrs. Day erzählte
mir, dass dieselben, wie alle Uebrigen, Kinder von
schwarzen Eingebornen seien und das Auftreten von Albinos
unter diesen nicht als grosse Seltenheit zu betrachten sei.
Nach dem zweiten Frühstück (lunch) machten Sala und ich
in Begleitung unserer drei boys einen Spaziergang in die nächste
Umgegend, welche theils mit den Pflanzungen der Mission und
liberianischer Ansiedler, theils mit Buschwald bedeckt ist. Aber
■die Sonne brannte so furchtbar heiss, und die glühende Erde
strahlte so viel Wärme aus, dass man die Luft in beständiger
Wellenbewegung erzittern sah und . die ganze Natur wie ausgestorben
erschien. Alle höher entwickelten Thiere hatten sich zur
Siesta in ihre kühlsten und verborgensten Schlupfwinkel zurückgezogen,
sodass mit Ausnahme einiger Springheuschrecken und
_ Es wird in keiner liberianischen Missionsanstalt in einem der Negeridiome,
sondern überall nur in englischer Sprache Unterricht ertheilt.