dachten mehrmals, -dass keiner von uns je die Küste Wiedersehen
werde. Lebensmittel hatten wir nun genug, aber der Appetit
fehlte, und die Speisen blieben unangerührt. Nachdem dieser • - J
Zustand etwa eine Woche gedauert hatte, wurde es mit S a la
wieder besser, bei mir aber wurden die Anfälle von Tag zu Tag
schwerer. Ich konnte zuletzt weder stehen noch sitzen noch
liegen. Dabei bemächtigte sich meiner eine peinliche Angst
und Beklemmung auf der Brust, die mich fast des Athems beraubte
und mir Tag und Nacht keine Ruhe liess. Die Leute
aus der Stadt kamen jeden Morgen, um zu sehen, ob ich noch
nicht gestorben sei, und ich selbst glaubte nicht, dass ich diesen
Platz je lebend verlassen werde.- In. der Verzweiflung trank
ich, um mir wenigstens• einige Betäubung zu verschaffen| eine
ganze Menge Spiritus, in dem unsere Fische und Reptilien lagen;
doch Alles war umsonst. Nachdem dieser Zustand etwa 14 Tage
angehalten hatte, kamen endlich die vier längst bestellten Träger
aus Soforeh Place, um mich nach Mühlenburg Mission zu trans-
portiren. Mit ihnen erschien auch der Häuptling Sickly und- sein
Bruder So foreh. Nach langem Hin- und Herreden wurde ich
endlich, behutsam in eine wollene Decke gerollt, in meine Hängematte
gelegt und mit dieser an einen langen .Stock gebunden,
den zwei Männer über ihre Schultern legten. Darauf setzte.sich
der Zug in Bewegung. Kaum aber hatte derselbe einige hundert
Schritte in den Wald hinein gemacht, als einer der Träger klagte,
dass ich ihm zu schwer sei, und schliesslich legten sie mich,
kaum eine englische Meile von der Station entfernt, in den nassen
Waldpfad, hülflos und an den Stock festgebunden, wie ich war,
nieder und liefen davon. Ein Pessy-Neger, der zufällig des Weges
kam, fand mich bewusstlos liegen, nahm sich, da er mich von
einer frühem Gelegenheit her kannte, meiner an und trug mich
auf seinem Rücken nach der Station zurück, wo man mittlerweile
von dem Vorfall schon unterrichtet war. Es stellte sich
nun bald heraus, dass das Weglaufen der Träger schon vorher
geplant war, um uns zu berauben, und die beiden edlen Mohrenfürsten
thaten denn auch ihr Möglichstes, Sa l a zu bewegen, die • ,
Hütte zu verlassen und nach mir zu sehen, was er aber,irgend
einen Schurkenstreich vermuthend, glücklicherweise abschlug.
Das Beste bei der Sache war, dass auf dieses Ereigniss eine
günstige Wendung in meinem Zustande folgte und die Krampfanfälle
aufhörten, so dass ich in verhältnissmässig kurzer Zeit
wieder ziemlich hergestellt war.
. Je weiter der Sommer vorrückte, desto unangenehmer wurde
die Regenzeit. Der Fluss stieg täglich höher und trat über seine
Ufer. An grössere Jagdausflüge war unter solchen Umständen
nicht mehr zu denken, und die Jagd wurde deshalb auch von
Tag zu Tag unergiebiger. Daneben waren wir immer grösseren
Diebereien ausgesetzt und konnten nicht genug auf unserer Hut
sein. Wenn man diese Gauner reden hörte, dann hätte man
glauben sollen, dass sie die ehrlichsten Menschen von der Welt
wären. „G-olah people don’t fhieve” sagten sie mit der unschuldigsten
Miene, „thieving p ’laver badp’laver; me teil you, i f me
want something, but Pessy People there up the river like thieve
plenty, too muchl” 1) Im selben Augenblicke aber verstanden sie
irgend einen naheliegenden Gegenstand auf eine Weise zu eska-
motiren, die selbst der Fingerfertigkeit eines Londoner „pick-
pocket” alle Ehre gemacht haben würde. „Dash me, daddy” (beschenke
mich, Herr) hiess es bei jeder Gelegenheit. „Do me good”
(thue mir Gutes), sagten sie, wenn sie uns etwas verkauft und
ihr Geld dafür erhalten hatten, und während sie die eine Hand
zum Empfang der Gabe uns entgegenstreckten, schnitten sie
hinter ihrem Rücken mit der ändern die Angeln von unsern
an der Wand hangenden Fischleinen ab. Gerade die Grossen des
Reiches stahlen am allermeisten, und da wir ihnen anfangs das
vollste Vertrauen schenkten, mussten wir gerade an ihnen die
traurigsten Erfahrungen machen.
Durch Schaden klug geworden, vertrauten wir am Ende keinem
Menschen mehr, und wenn der König kam, hörten Wir gerade
so gut auf zu arbeiten, verschlossen unsere Kisten und liessen
Alles, was nicht niet- und nagelfest war, hinten in die Hütte
bringen, als wenn ein Vagabund erschien, um für ein gestohlenes
’) Golahleute „dieben” nicht, Diebsgeschichten schlechte Geschichten, wir
sagen’s lieber, wenn wir etwas nöthig haben, aber das Pessyvolk dort oben
am Flusse liebt das Stehlen nur allzusehr.