zu holen, so sagt er zu ihm: „Hier ist e r; ich habe ihn gefangen
und an die Kette gelegt. Du kannst ihn zurück haben, doch
muss er freiwillig mitkommen, denn aus meiner Stadt geht
niemand gebunden weg. Wenn er nicht freiwillig kommt, sö wird
er dafür seine Gründe haben und bleibt er bei mir.” Da Dauwana
seine Sklaven, so lange ihre Aufführung nichts zu wünschen
übrig lässt, sehr gut behandelt, so besitzt er eine grosse Anzahl
solcher zugelaufener Leute, die für ihn arbeiten.
Ich erreichte Canga gegen 11 Uhr vormittags, während Dauwana
ein grosses Palaver hielt, das ich seiner Originalität halber nicht
unterlassen kann, hier mitzutheilen.
Einer von Dauwana’s Sklaven hatte eine Palme angezapft,
um sich den täglichen Bedarf an Palmwein zu verschaffen.
Eines Tages, als der Mann den Palmwein abzapfen wollte, fand
er den Sklaven eines Ändern auf der Palme beschäftigt, den
Palmwein, der sich die Nacht über in dem untergehängten Gefässe
angesammelt hatte, zu stehlen. Seine Warnung wurde mit Hohn
und Scheltworten beantwortet, worauf Beide handgemein wurden
und der Sklave Dauwana’s den Ändern mit einem Knüppel niederschlug.
Wuthentbrannt kam Jener kurz nachher mit einem
grossen Schwert bewaffnet nach Canga, um an seinem Gegner
Bache zu nehmen, wurde aber von Dauwana, dem man das bei
der Palme stattgefundene Ereigniss mitgetheilt hatte , in Ketten
gelegt. Einige Tage später erschien der Herr des gefangenen
Sklaven, um diesen zurückzuverlangen, worauf man ein grosses
Palaver veranstaltete, um die Sache zu erledigen. Da es allgemein
Sitte ist, dass beide Parteien die Gerichtskosten zum Voraus
bezahlen, brachte der Sklave Dauwana’s als die eine Partei einen
Kupferkessel und ein inländisches Tuch herbei, und der Herr des
ändern Sklaven that dasselbe. Hierauf erschien Dauwana, sah
sich die Sachen von oben herab an und sagte: „Wo bleibt der
Reis und das Palmöl?” Eine Flasche Palmöl und zwei Körbe voll
Reis wurden von jeder Partei herbeigeschafft und der letztere
auf eine Matte ausgeschüttet. Dann verlangte Dauwana von
jeder Partei ein weisses Huhn. Auch dieser Forderung wurde
nach langem Suchen Genüge geleistet. Nun fragte mich der
fürstliche Richter, nachdem er mir durch Jackson die Sachlage
hatte erklären lassen, was inan bei uns in Europa in einem solchen
Falle zu thun pflege. Ich erwiederte, dass man den Dieb das
Gestohlene zurückvergüten lasse und ihm ausserdem eine Strafe
auferlege. „Was würdest du in diesem Falle verlangen?” fragte er.
Ich antwortete, dass er selbst den Werth des gestohlenen Palmweins
besser beurtheilen könne als ich, doch dass ich glaube, ein paar
Dollar würden in diesem Falle eine genügende Entschädigung sein.
Hierauf liess Dauwana . die auf der Matte deponirten Sachen nach
seinem Hause bringen und verurtheilte den gegnerischen Sklaven
zu einer Busse von fünf Dollars, mit der Drohung, ihn zu verkaufen,
wenn er nicht gleich bezahlen könne. Vergeblich bat
dessen Herr um eine niedrigere Busse. Dauwana war unerbittlich;
und als die Vorstellungen und Bitten kein Ende nehmen wollten,
wandte er sich voll Entrüstung an den Herrn des verurtheilten
Sklaven und sagte: „Hast du Dauwana jemals eine Mütze tragen
sehen? Sieh her! Däs erste Mal, dass du eine Mütze zwischen
mir und; Gott — und dabei wies er in die Höhe — sehen wirst,
soll dir die Strafe erlassen sein!” Hierauf bezahlte der Mann,
und das Palaver war abgelaufen. Nach einem frugalen Mahle,
für welchen Beweis von Gastfreundschaft ich dem Häuptling als
Gastgeschenk eine Flasche- Branntwein und etwas Tabak überhändigte,
reisten wir weiter nach Mr. Brown ’s P-lace, welchen
Ort wir kurz nach Einbruch der Nacht erreichten. Dieser Platz soll
zur Zeit des' Sklavenhandels, wie auch Gonon, eine von einem
Mr. Beown gegründete, grosse Sklavenstation gewesen sein, ist
aber gegenwärtig ein ärmliches Negerdorf, das fast ausschliesslich
von Golah-Leuten bewohnt wird. Die Grenze zwischen dem
Gebiete der Vey und Golah liegt übrigens gleich hinter Gonon,
und in diesem letztem Platze selbst, noch mehr aber in Fali
wird, infolge der Vermischung der beiden Stämme auf der
Grenzlinie, schon recht viel Golah gesprochen.
Infolge anhaltenden Regens, der wieder mit all seiner Macht
■ einzusetzen begann, konnte ich nichts ausrichten und erneute
Fieberanfälle suchten mich heim. Ich schickte mich darum schon
nach zwei Tagen zum Rückzuge nach Fali an, das wir, ohne
Canga zu berühren, am Abend des 28. Juni erreichten. Am
folgenden Morgen, kurz nach Sonnenaufgang, marschirten wir
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