noch 590 englische Pfund wog, zu gross war, um bequem nach
Hokhiö hinaufgeschafft zu werden, so blieb mir nichts Anderes
übrig, als so rasch wie möglich nach Robertsport hinunterzufahren,
um dasselbe dort für unsere Sammlung zu präpariren. Die Gelegenheit
, ein solches Thier unbeschädigt in Besitz zu bekommen,
bietet sich nur äusserst selten; ich machte daher von derselben
gern Gebrauch, um unsere Sammlung mit einem solchen Prachtstück
zu bereichern und traf sofort die nöthigen Anstalten zur
Abreise. Es war am 22. Januar (einem Samstag) abends 10 Uhr,
als die fünf Krooboys mit dein Briefe ankamen. Nachdem wir
denselben eine Mahlzeit vorgesetzt, Hessen wir sie etwas schlafen
und machten inzwischen Alles zur Abreise bereit. Um zwei Uhr
nachts trat ich mit den boys und meinem Leibdiener P eter die
Fahrt den See hinunter an. Es war eine herrliche Mondnacht, und
da es etwas kühl geworden war — denn 25° C. ist für einen
nackten Neger eine unangenehm niedrige Temperatur — wurde sehr
kräftig gerudert, so dass wir, trotz häufigen Festfahrens auf ausgedehnten
Untiefen, schon am Morgen um 7 Uhr bei der deutschen
Faktorei in Robertsport ankamen. Obwohl der Sonntag in allen
christlich-liberianischen Niederlassungen sehr streng gehalten wird,
so machte ich mich doch sofort an die Arbeit, die mit Hülfe
meines Bedienten und einiger Eingebornen (Liberianer wären nicht
dazu bereit gewesen) rasch gefördert wurde. Wohl hundert
Menschen drängten sich in einem fort um uns her, und zwar
vorgeblich, um Fleisch zu kaufen, in Wirklichkeit aber, um
dasselbe geschenkt zu erhalten. Obwohl Herr Romahn das Thier
aus Yorsicht schon am Abend hatte ausweiden lassen und es
in Folge dessen noch ganz frisch war, so hatte sich doch durch
das Hin- und Herschleppen die haarlose Oberhaut an manchen
Stellen losgelöst, und es müsste daher die grösste Yorsicht
beobachtet werden, um dieselbe einigermaassen in gutem Zustande
zu erhalten.
Das Thier, ein wahres Prachtexemplar, war ein altes Männchen
von neun Fuss Länge. An der vordem Hälfte war es sehr dick,
wurde nach hinten dann allmähg' dünner, und hatte zwei flossenartige
Yorder- und zwei in eine Art abgerundeter, horizontaler
Schwanzflosse vereinigte Hinterfüsse. Der Hals war kurz und
dick der Kopf rund, die Ohren nur durch zwei Oeffnungen ohne
Ohrmuscheln vertreten, die Augen klein, die Schnauze hoch.und
breit, kuhmaulartig, und die verschhessbaren Nasengruben nach
oben1 gerichtet. Die Hautfarbe war oben und an den Seiten
glänzend blauschwarz und gieng am Bauche in einen gelblichen
Ton über. Unter der ausserordentiich dicken und haarlosen
Haut befand sich eine dicke Lage von schwammigem Zellgewebe-
und Speck. Das dunkelrothe Fleisch schmeckte ungefähr wie
frisches Schweinefleisch. Yon Thrangeschmack war Nichts zu
bemerken, was seinen Grund darin hat, dass diese Thiere bloss
von Uferpflanzen leben. Am Abend hatte ich die Haut conservirt,
und während der ersten Hälfte des folgenden Tages wurde auch
das Skelet so weit fertig, dass ich Alles zusammen meinem
Gefährten Sala nach Hokhie hinaufsenden konnte. Mir selbst
bot sich inzwischen die Gelegenheit, den Mahfa River hinauf
nach der bereits erwähnten Stadt Cobolia zu fahren. Da wir
nun ohnehin beabsichtigten, unsere Station von Hokhiö-Buluma
anderswohin zu verlegen, so machte ich gern von der Gelegenheit
Gebrauch, um mir den Mahfa River und das vielbesprochene CoboHa
mit seiner Umgebung einmal anzusehen.
Den 24. Januar in der Mittagsstunde verhess ich Robertsport
und fuhr in einem mit sechs Negern bemannten Canoe nach
der Mündung des Mahfa River hinüber und dann diesen Letztem
aufwärts. Der Fluss hat, bevor er sich in seine beiden Mündungsarme
theilt, eine Breite von etwa 100 Meter. Seine Ufer
wurden, sobald wir die Mangrovewälder des Mündungsdelta’s
hinter uns hatten, steil und hoch1), die Landschaft aber blieb weit
hinauf flach; sie zeigte einen Wechsel von Grassteppe, kleinem
Gehölz und Sumpfgebüsch und war mit zerstreut stehenden
Oelpalmen besetzt.
l)' Der Umstand, dass der Fluss sein Bett tief in den flachen Thonboden
eingegraben hat, weiter oben aber durch Anhöhen flankirt wird, so dass er
selbst in der Regenzeit nicht über seine Ufer hinaustritt, hat ihm seinen
Namen verschafft (mah — nicht, fa = voll). Meine frühere Schreibweise
„Marfa” in „Tijdschrift van het Aardrijkskundig G-enootschap te Amsterdam
ist also unrichtig, etwas besser die Schreibweise Maffa, die in den englischliberianischen
Unterhandlungen über- die Grenzregelungsfrage vorkommt.