er es unbemerkt thun konnte, unsere langen, hinter dem Schiffe
herschleppenden Angelleinen durchschnitt. Das eine nicht sehr
grosse Exemplar fingen wir, nachdem wir vergeblich bemüht
waren, ein Stück Speck oder Salzfleisch zu bekommen, an einem
Lappen von einem rothen, wollenen Matrosenhemd, in dem die
schwere Angel verborgen war. Obschon dieses Thier nicht über
6' lang war, hatten wir einige Mühe, um es an Deck zu holen.
Es schlug ganz fürchterlich um sich, legte sich auf den Rücken
und zeigte seine weisse Unterseite und das quer unter dem
Kopfe liegende Maul — in dieser Lage war es auch an den
Köder gegangen —, verschwand plötzlich in der Tiefe und kam
nach einer Weile» wieder zum Vorschein, so dass es nur nach
anhaltendem Nachlassen und Wiederanholen der Leine gelang,
dasselbe schliesslich ganz ermüdet heraufzuziehen. Kopf und
Schwanz abhacken, Ausweiden und in grosse Scheiben zerschneiden
war das Werk eines Augenblicks, und bald darauf
standen die Scheiben gebacken und herrlich duftend auf unserem
Tische. Wir fanden das Fleisch zart und schmackhaft,
ja es war, nach dem langen, beinahe abwechslungslosen Einerlei
von Stockfisch und Pöckelfleisch, geradezu delikat zu nennen,
was man jedoch von alten Exemplaren nicht sagen kann, und
dabei hatte es noch den Vorzug, keine Gräte zu besitzen.
Die Luft war jetzt schwül und drückend geworden, und das
Thermometer in der Kajüte stand auf 31° Celsius. Die Sonne
zeigte sich des Morgens erst nach 9 Uhr hoch über dem Horizonte
als ein grösser, dunkelrother, russiger Feuerball und gieng gegen
3 Uhr auf dieselbe Weise wieder unter. Als Ursache dieser
eigenthümlichen Erscheinung muss der sogennannte P a s s a t s
t aub angesehen werden, der durch die von dem nahen Festlande
aufsteigenden, erwärmten Luftströme mitgenommen und
durch den Passat herübergebracht wird a). Die Luft* War dergestalt
mit Sand und Staub erfüllt, dass die Sonne, so lange sie
niedrig über dem Horizonte stand, dieselbe nicht zu durchdringen
*) E h e b n b e e ö ist geneigt, den sog. Passatstaub als eine Welt von frei in
der Atmosphäre lebenden mikroskopischen Organismen anzunehmeh. (Siehe
Monatsberichte der Berliner Akademie, 1871, p. 3).
vermochte und die frisch mit weisser -Oelfarbe angestrichenen
Schiffswände und Brustwehren sich in kurzer Zeit mit einer
rothgrauen Steinfarbe bedeckten.
Am Neujahrstage befänden wir uns, einem mehr östlichen
Kurse folgend, auf der Höhe von S ier r a Leone. Von hier an
näherten wir uns allmälig, bald bei trägem Winde, bald in
gänzlicher Stille . treibend, unserm nicht mehr weit entfernten
Reiseziele. Mittlerweile waren wir so nahe unter die Küste gekommen,
dass des Nachts der Landwind -— der Passat hatte uns
wieder verlassen — unsere Segel blähte; doch verhinderte uns
die dicke Luft, irgendwo Land zu sehen.
Am 8. Januar 1880 aber hob sich, nach wiederholten Täuschungen,
dem spähenden Auge eine erst undeutliche, bald aber
scharfer und schärfer, werdende Linie von dem grauen Horizonte
ab, die allmälig eine Zickzackform annahm. Noch ein Augenblick,
und: durch das ganze Schiff erscholl der Ruf: „Land in
Sicht”. Es war das Gebirge von Grand Cape Mount, das wir
jedoch, obschon aus grösser Nähe, nur in seinen Umrissen
unterscheiden konnten, und niemand ahnte damals, dass auf
dem westlichen Vorsprunge dieses Gebirges mein armer Reisegefährte
Sala seine letzte Ruhestätte finden sollte.
Noch etwas weiter, und wir sahen auch den Strand, ein
weisser Streifen, von dem die; grauen, eintönigen Mangrovebüsche,
schlanke Palmen und Wollbäume von riesenhaften
Dimensionen sich scharf abhoben. Weisse. Schaummassen zeigten
sich dem Strande entlang , und bald hörte man auch das Tosen
der Brandung, das uns wie. süsse Musik in die Ohren klang.
Wir segelten nun einige • Stunden, beständig das Senkloth
gebrauchend, auf 100 bis 70 Faden Tiefe der Küste entlang,
ohne viel landschaftliches Detail unterscheiden zu können.
Bald aber erhob sich gerade vor uns eine hohe, dunkle Masse
aus der blauen Fluth:1 das Cap Messurado, auf dessen Rücken
die Stadt Monrovia liegt. Steil fallen seine grünen Hänge in
die iSee ab, und auf seinem äussersten, mit Buschwald bestandenen
Vorsprung erblickten wir den weisschimmernden Leuchtthurm.
Das Wasser war stellenweise mit langen Streifen von
zusammengeschobenem Schaum und Pflanzenresten bedeckt,
LIBEBIA, I . 2