Alle liberianischen Flüsse bilden bis mehr oder weniger weit
in die Hügelregion hinein gute Wasserstrassen für Ruderboote,
und würden selbst für kleinere Dampfboote mit nicht allzu
bedeutendem Tiefgange auch in der Trockenzeit passirbar sein.
Das gewöhnlichste und beliebteste Fahrzeug der Liberianer ist
das Canoe (Einbaum), in dem man jeweilen bis an den Fuss
der ersten Stromschnellen gelangen kann. Die Länge des Unterlaufes
der liberanischen Flüsse ist sehr verschieden. Während
im St.Paul die ersten, oder besser gesagt, die letzten Stromschnellen
nur 20 Meilen von der Küste entfernt sind, können
andere viel weiter hinauf, der Cavally River sogar bei 60 Meilen,
in Canoes befahren werden. Da diese Wasserstrassen in Liberia
zugleich die einzigen Verkehrswege sind, so haben die aus
Amerika eingewanderten farbigen Ansiedler (Liberianer) namentlich
die Ufergegenden an den fahrbaren Unterlaufen in Besitz,
genommen, den Wald ausgerodet und Niederlassungen gegründet.
Wie alle Tropenländer hat auch Liberia seine Trocken- und
seine Regenzeit. Die Trockenzeit fällt zusammen mit dem nordischen
Winter, die Regenzeit mit unsern Sommermonaten. Da
die schweren tropischen Regen stets dem höchsten Stande der
Sonne folgen, so hat die Gegend unter dem Aequator und in
dessen unmittelbarer Nähe jährlich zwei Regenzeiten, nämlich
jeweilen zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche im Frühling und
Herbst, und demgemäss auch zwei Trockenzeiten, von denen die
eine mitten in unsem Winter, die andere mitten in unsern
Sommer fällt. Unter den beiden Wendekreisen dagegen, wo die
Sonne je einmal im Jahre senkrecht steht, hat man dementsprechend
auch nur eine Regen- und eine.Trockenzeit. Unter
dem Wendekreise des Krebses (23f N.B.) fällt somit die Regenzeit
mit dem Sommersolstitium (unserm längsten Tage) zusammen und
ist sie ziemlich kurz, während die grössere andere Hälfte des
Jahres die Trockenzeit bildet. Selbstverständlich findet unter
dem Wendekreise des Steinbocks gerade das Umgekehrte statt
und fällt dort die Regenzeit in unsern Winter, die grosse Trockenzeit
aber in unsem Sommer.
Nun erreicht die Sonne in Liberia, infolge der geographischen
Lage des Landes zwischen 4°20' und 7° N.B., ihren höchsten Stand
t
ungefähr um Mitte April und gegen Ende August, in zwei einander
so naheliegenden Zeitpunkten, dass die zweite Regenzeit, mit der
Rückkehr der Sonne vom nördlichen Wendekreise, bereits einsetzt,
bevor die erste noch ganz zu Ende ist. Man spricht daher in
Liberia nur von einer Regen- und ei ner Trockenzeit, obschon
die Regenzeit gewöhnlich durch eine Reihe von schönen Tagen, die
man die kleine Trockenzeit nennen könnte, unterbrochen wird.
Man darf aber die grosse, in unsern Winter fallende Trockenzeit
nicht als völlig regenlos auffassen, da dieselbe ebensogut
ihre Regengüsse, wie die Regenzeit, auch abgesehen von der
kleinen Trockenzeit, ihre trockenen Tage hat. Beide Jahreszeiten
sind getrennt durch kurze, gewitterreiche Uebergangsperioden,
die Zeit der Tornados*) genannt, welche unserm Frühling und
Herbst entsprechen. Obschon also eigentlich zwischen den beiden
Jahreszeiten keine scharfen Grenzen bestehen, so wird doch
allgemein angenommen, dass die Trockenzeit um Mitte November
oder Anfang Dezember beginne und mit Ende April abschliesse.
Dieselbe würde somit fünf, die Regenzeit aber sieben Monate
des Jahres in Anspruch, nehmen.
Während der ersten Hälfte der Trockenzeit weht ein^ Alles
austrocknender, besonders während der Nacht und des Morgens-
für dieses Klima empfindlich kalter Landwind, der sogenannte
Harmattan, mit bedeutender Heftigkeit, und es fällt während
dieser Zeit so gut wie kein Regen. Wohl aber ist die Luft mit
feinen Sand- und Staubtheilchen erfüllt, die aus den nördlicher
gelegenen Hochflächen herübergeweht werden. Unter dem Einflüsse
des Harmattan trocknen die Sümpfe theilweise aus, die
Creeks und Waldbäche werden kleiner, die ausgetretenen Flüsse
ziehen sich in ihr Bett zurück und das Wasser derselben, in
der Regenzeit trübe und gelb, wird hell und klar. Die nasse
Erde giebt eine erstaunliche Menge von Wasserdampf ab, der
sich in den kalten Nächten als Nebel und Thau niederschlägt,
so dass der Jäger jeden Morgen, nach kurzem Marsche durch
Gras und Busch, wie von Regen triefend nach seiner Hütte
zurückkehrt.
) In Liberia hat das Wort Tornado allgemein die Bedeutung von Gewitter.