einer solchen Bemannung, der sich gern Gaptain tituliren lässt
und zugleich als Steuermann fungirt, ist der Vorsänger und
behandelt ein beliebiges Thema aus dem Stegreif, und zwar meist
auf eine Weise, dass man vielen dieser Leute, wenn man etwas
von ihrer Sprache versteht, eine gewisse poetische Begabung nicht
absprechen kann. So sang mein „Captain”, als wir uns Cambama,
der Endstation des ersten Tages, näherten, nach einer der behebtesten
Melodien ungefähr folgende Worte rein aus dem Stegreif,
wobei die Ruderer mit einer bewunderungswürdigen Taktsicherheit
einsetzten und den Refrain sangen:
„Passt auf, ihr Bewohner Cambama’s , und hört, was ich sage!
Kommt herunter zur Wasserseite, kommt herunter, kommt
herunter; Alles, was gehen kann, komme. E- Der weisse Mann
ist hier von gross Amerika1). Ihr kennt ihn Alle, den Mann,
der zu uns gekommen ist von Du Coro (Monrovia), den weissen
Jäger von Bendoo und Buluma. Wer sollte nicht schon von
ihm gehört haben und von seinem Flanding bu (Doppelflinte), der
stets geladen ist, immer schiesst und nie aufhört? Ihr Leute
von Cambama, freuet euch! Auf hören wird nun der arglistige
Feind, eüern Reis zu schneiden, und Frauen und Kinder wird
er nicht mehr wegführen. In Frieden könnt Ihr euern Palmwein
trinken und euch des süssen Oeles genug bereiten. Der weisse
Mann ist stark und behend, wie Keiner! Dem Büffel, dem ungestümen,
geht er nicht aus dem Weg, den grimmigen Leoparden
sucht er im Lager auf, und das Krokodil, das am Ufer lauert,
erwürgt er und wirft es ins Wasser. — Der weisse Mann ist
freundlich und gut, er giebt uns zu trinken und macht uns
stark *). Er setzt sich zu euch ans Küchenfeuer und hört gern
eure Erzählungen an. Er kommt und ist eures Königs Gast. —
Kommt her, wir bringen ihn, ihn und den rothen Jaoky3).
') Nach der Ansicht dieser Leute kommen alle Weissen von „big ’Merica”
(Vey: Puru bah); dass es auch einen Welttheü Europa giebt, hegt ihnen zu fern.
*) Die Eingebomen sagen, dass Branntwein stark mache; daher auch der
viel gehörte Ausdruck: make me strong (mache mich stark) statt einer Bitte
um Branntwein.
3) Unter diesem Namen war mein Jäger J ack so n in der ganzen Gegend
bekannt.
Kommt, kommt herunter, Alles was gehen kann; kommt herunter
zur Wasserseite, wir sind gekommen und legen an!”
Es war mitten am Nachmittage, als wir am Landungsplätze
von Cambama anlegten, wo wir die ganze Bevölkerung des
Platzes am Ufer stehend antrafen. Ich war selbstverständlich
sofort der Gegenstand der allgemeinen Neugierde. In Abwesenheit
des Häuptlings wurde ich durch seine head-woman (erste Frau),
ein altes hässliches, aber sehr gutherziges, englisch sprechendes
Mütterchen, empfangen. Einige der anwesenden Männer, die
uns schon früher in Bendoo und Buluma besucht hatten, traten
nun zu mir heran. Sie waren ungeheuer geschmeichelt, als sie sahen,
dass ich sie noch kannte und ihren Gruss mit dem üblichen
Händeschnalzen erwiderte. Mit einem gewissen Stolze erklärten
sie ihren Gefährten die Manipulationen des Ladens und Schiessens
an dem Lefaucheux-Gewehre, das über meinem Rücken hing. Unterdessen
hatten sich Frauen und Töchter an mich herangemacht
und beguckten mich von allen Seiten, betasteten mir unter Ausdrücken
grössten Staunens Gesicht, Hals und Hände, unterhielten
sich über die helle Farbe und die Feinheit meiner Haut, streiften
mir die Hemdärmel auf und hätten mich am liebsten ganz ausgekleidet,
nur um sich zu überzeugen, ob ich auch wirklich ein
echter Weisser sei. Dann und wann kam auch eines der kleinen,
nackten Kinder, um mich aus der Nähe zu betrachten, eilte aber,
sobald ich es anblickte, zu seiner Mutter, verbarg sich hinter ihr
und sah mich dann zwischen ihren Beinen durch verstohlen an.
Ein kleines, nacktes Mädchen, das sich etwas nahe an mich herangewagt
hatte, schrie und strampelte furchtbar, als ich es ergriff
und auf meine Arme nahm. Einige englische Biscuits, die ich
zu solchem Zwecke in meiner Tasche mitzunehmen pflegte,
beruhigten es jedoch bald, und als ich es wieder auf den Boden
setzte, eilte es mit freudestrahlendem Gesichte zu seinen Kameraden,
die nun bald ohne Scheu alle zu mir herankamen um
ebenfalls beschenkt zu werden. Auf diese Weise hatte ich mir
ohne Mühe die Frauen und durch diese auch die Männer günstig
gestimmt. Hierauf wurde ich nach der Stadt geführt, wo mir
old mammy N o n o , wie Jackson die Regentin nannte, eine Hütte
zum Aufenthalt anwies.