reits die Leuchtfeuer von South-Foreland in Sicht und segelten
im Laufe des Tages unter den Kreidefelsen der englischen Küste
hin. An diesem Tage begegnete uns die El ise Suzanna , eine
ebenfalls Herrn Mülleb gehörende Brigg, die mit voller Ladung
von der Westküste Afrika’s zurückkehrte. Am Morgen war das
Schiff mit Schnee bedeckt, dem letzten, den wir auf Jahre
hinaus — nach unserer Rechnung — sehen sollten, und ein
scharfer, nasskalter Nordost, der uns den Aufenthalt an Deck
sehr unangenehm machte, trieb uns rasch und unaufhaltsam
westwärts, dem Ocean entgegen. Infolgedessen hatten wir nach
zwei Tagen den englischen Kanal hinter uns und setzten Kurs
nach Südwesten, um den fast immer stürmischen Golf von Bis-
caya so weit wie möglich zu umgehen.
Schon bevor wir offene See erreichten, hatte eine auffallende
Veränderung in der Farbe des Wassers stattgefunden. Das trübe
Graugrün war verschwunden und hatte einem schönen Meergrün
Platz gemacht, das sich allmälig, je weiter wir südwärts kamen,
in ein herrliches Lasurblau verwandelte. Der Nordost blieb uns
treu und trieb uns bei ziemlich hochgehender See trotz der
wenigen stehen gelassenen Segel in unserem Kurse rasch vorwärts.
Am Morgen des 25sten Novembers zeigte sich, etwa auf
halbem Wege zwischen Ouessant und Cap Finisterre eine Schaar
von wohl fünfzig Delphinen, wie in munterm Spiel in den Wogen
auf- und niedertauchend oder mit der hohen Rückenflosse die
Wasserfläche durchschneidend. Längere Zeit blieben sie in der
Nähe des Schiffes, oft unter dasselbe eintauchend und auf der
ändern Seite wieder zum Vorschein kommend. Kleine Trupps
Papagaitaucher {Hormon fratercula), zeigten sich in der Nähe
des Schiffes, und ein besonders dreistes altes Exemplar flatterte
halb laufend auf so kurzen Abstand dem Steuerbord
entlang, dass man seinen hohen, orangegelb und schwarz gestreiften
Schnabel deutlich- unterscheiden konnte. Die Möven,
die bisher unsere treuen Begleiter waren, hatten uns bis auf
wenige Exemplare verlassen, dagegen umflog eine vom Winde
verschlagene, müde Singdrossel das Schiff und setzte sich wiederholt
in das Takelwerk, um auszuruhen.
In der Nacht beobachteten wir zum ersten Male das imposante
Schauspiel des Meeresleuchtens. Die Schaumkronen der hinter
uns anrollenden Wogen und der Gischt am Bug funkelten wie
glühender Phosphor, und das Kielwasser glänzte von tausend
und abertausend glühenden Punkten, viel heller und intensiver,
als ein ganzes Heer von Johanniswürmchen. Die Matrosen behaupteten,
dass dieses Leuchten von Salpeter (!) herrühre, der
im Seewasser enthalten sei und durch Reibung diese Eigenschaft
erhalte. Ursache dieser Erscheinung ist aber hauptsächlich eine
Art mikroskopisch kleiner Thierchen aus der Klasse der Rhizo-
poden oder Wurzelfüsser: Nodiluca miliaris, die millionenweise
zugleich aufbreten und unter gewissen chemischen und mechanischen
Einflüssen, besonders durch Reibung des Seewassers, ein
phosphorisches Licht ausstrahlen.
Während der zwei folgenden Tage (26. und 27. Nov.) war der
stets heftiger wehende Nordost zu einem richtigen Sturme angewachsen.
Die Segel wurden nach und nach bis auf vier, später
sogar bis auf drei eingeholt, und dennoch kamen wir, vor dem
Winde treibend, sehr rasch vorwärts, indem wir per Tag (24
Stunden) durchschnittlich 45 geogr. Meilen oder 60 Wegstunden
zurücklegten. Laut heulte und pfiff der Sturm durch die Raen,
ächzend und stöhnend legte sich das alte, etwas schwer gebaute
Fahrzeug von einer Seite auf die andere, so dass das Gehen an
Deck und in der Kajüte beinahe zur Unmöglichkeit ward. Gleich
Sturmböcken donnerten die Wogen Schlag auf Schlag auf den
Rumpf des Schiffes an, Sturzsee folgte auf Sturzsee, rauschend,
hochaufspritzend und auf das Verdeck herniederprasselnd. Der
Mann, der die Wache am Steuerruder hatte1), musste sich am
Steuerrade festbinden lassen, um nicht über Bord geschlagen zu
werden.
Am schlimmsten war unser Koch daran. Dieser war gezwungen,
seine mit Schraubendeckeln versehenen Töpfe vermittelst
einer Kette auf dem Herde festzubinden, ja man dachte bereits
daran, das Kochen als unmöglich einzustellen, als glücklicherweise
wieder besseres Wetter eintrat. Da die Küche vorn auf
') Die Steuerleute (erster und zweiter Steuermann) steuern nie selbst,
sondern überlassen diese Aufgabe der wachthabenden Mannschaft.