1886 in Hamburg angekommen. Einige Tage später traf auch
mein Reisegefährte, Herr Stampfli (siehe Einleitung) ein, der
sich während der Sommermonate in der Schweiz hinlänglich von
den schädlichen Einflüssen seiner ersten Liberiareise erholt hatte.
Nachdem wir unsere Ausrüstung allseitig vervollständigt, traten
wir Sonnabend den 6. November an Bord der Anna Woermann,
Capt. Jabk, die Reise an.
Während der ersten Tage war die Witterung nasskalt und
die See unruhig, so dass das ohnehin schon nicht festliegende
Schiff viel Wasser auf Deck bekam. Aber schon eine Woche
später hatten wir jede Spur von Winter weit hinter uns zurückgelassen,
und rund um uns her war tiefblaue See, laue Luft und
lachender Sonnenschein. Am 12. November mittags 12 Uhr tauchte
vor uns die Gebirgsinsel Por to Santo aus dem Meere auf.
Erst waren es nur einige niedrige Buckel, die sich fern am Horizonte
über dem Meerespiegel zeigten. Aber nach und nach nahmen
diese Buckel an Höhe und Umfang zu und wurden durch niedrigere
Bergrücken vereinigt, während immer neue Spitzen, erst
vereinzelt und dann ebenfalls an das Massiv sich anschliessend,
erschienen. Je später am Nachmittage, desto schöner wurde das
reizende Bild. Rechts daneben erhob sich mit steilen Wänden der
isolirte Sail-Rock, und gegen Abend erblickten wir zu unserer
Linken die unfruchtbare, ebenfalls felsige Isola De se r ta ,
während vor uns am Hintergründe die Höhenzüge Made i ra ’s
sich vom Horizonte abhoben. Inzwischen fuhren wir*, bei untergehender
Sonne, dicht unter der Ostküste von Porto Santo hin.
Welch reizenden Anblick gewährte diese herrliche Perle im Schoosse
Thalatta’s ! Wie herrlich die Insel dalag mit’ all ihren Bergrücken
, ihren wein- und maisbedeckten, theils freilich auch kahlen
Hängen, ihren steilen, von der nagenden Fluth unterwaschenen
Klippen, ihren Thälern und einspringenden Buchten und der Hauptstadt
gleichen Namen’s mit grossen Kirchen und stattlichem
Kloster, die sich um den tiefen und sichern Hafen schmiegt!
Nur allzurasch lag dieses reizende Bild weit hinter uns und tauchte,
als wie durch Zauberspruch, wieder unter in die blauen Pluthen
des OceanSj während vor uns Isola Deserta links und Madeira
rechts sich immer höher und massiger in die Luft erhoben, bis
sie, in Dämmerung und Nacht gehüllt, als dunkle Massen zum
stemenbesäeten Firmament emporragten. Gegen acht Uhr bogen
wir um die mit einem Leuchtthurme versehene Ostecke der Insel
herum und giengen um 9 Uhr auf der Rhede von Funchal,
inmitten von zahlreichen ändern Fahrzeugen, worunter die drei
deutschen Kriegsschiffe „Moltke,” „Prinz Adalbert” und „von
Stein,” vor Anker. Würziger Duft wehte vom nahen Lande
herüber, und gerade vor uns erkannten wir an einer Masse von
Lichtern das von der Rhede bis weit an die Berglehne hinauf
sich ausbreitende Funchal, die Hauptstadt der Insel.
Schon mit Sonnenaufgang waren wir am ändern Morgen an
Deck, um das herrliche Panorama zu gemessen, das sich vor
unsern Blicken ausbreitete. Welch ein paradiesisches Stück Erde,
diese Bucht von Funchal mit der in dem-tiefblauen Ocean sich
badenden und terrassenartig an die Berghalden sich anlehnende
Stadt, den von Gebirgsvörsprüngen und Felsbuckeln herunterschauenden,
weisschimmernden Yillen und Landhäuschen, ihren
Festungswerken, Klöstern und Kirchen! Unmittelbar zu ihrer
Rechten (von der Rhede aus links) tritt eine schroff abfallende
Felsterrasse dicht ans Meer heran, und etwas vom Strande entfernt
erhebt sich, rundum von der Brandung bespült, ein hoher, mit
einer Festung gekrönter Fels mit senkrechten Wänden, der malerische
Lolo Rock. Ein vielfacher Contrast von Grün trifft unser
Auge; denn mit einem einzigen Blick erfasst man das matte Grün
der Reben und Edelkastanien, das glänzende Dunkelgrün des edlen
Lorbeers und das mit einem gelblichen Ton überhauchte Saftgrün
der Mais- und Zuckerrohrfelder und üppiger Bananenbüsche. Theil-
weise sind die mannigfach von Runsen und thalartigen Einschnitten
durchfurchten Abhänge mit Wald bedeckt, theils zeigen sie auch
kahle, rothe Flächen und Buckel, und die höchste Kuppe des im
Hintergründe 1846 M. über das Meer aufragenden Pico Ruivo ist
mit frischem, während der letzten Nacht gefallenem Schnee bedeckt.
Um 10 Uhr fuhren wir in einer der zahlreichen, das Schiff
umlagernden Jollen, gerudert von einem hell bronzefarbigen
Portugiesen, an Land. Im Umsehen waren wir von zahlreichen
schreienden und drängenden Führern, Lastträgern, Schlittenführern
und Bettlern umringt. Da wir nur bis 2 Uhr fortbleiben