am Lande, nach längerm Sinken endlich stehen. Der Sturm aber
wüthete fort, bis er nach 12 Uhr in der Nacht seinen höchsten
Grad erreichte und allmälig in Nordwind übergieng. Die See
tobte jedoch nach wie vor in ungezähmter Wildheit, da sie gewöhnlich
mehrere Tage braucht, um wieder zur Ruhe zu kommen.
Selbstverständlich konnte unter den gegebenen Umständen
von Nachtruhe kaum die Rede sein. Unaufhörlich wurde man
in seiner Koje hin und hergerollt, wie in einer Tonne, so sehr
man sich auch Mühe gab, um mit ausgespreizten Gliedern sich
auf die Matratze festzuschmiegen. Um zwei Uhr in der Nacht
machten die Wogen abermals einen verzweifelten Angriff, den
stärksten, den ich je erlebt. Deutüch hörte ich — von Schlaf
war keine Rede — die dumpfen Wellenschläge an der Schiffswand
und konnte ohne Mühe Fuss für Fuss das Emporkriechen
des gurgelnden und rauschenden Elementes verfolgen. Auf einmal
ward es still — eine kurze, bange Pause, und auf das Deck
hernieder prasselte eine Sturzsee, als ob der Blitz das ganze
Schiff in Splitter schlüge. Hätte der Mann am Ruder nicht die
bereits erwähnte Yorsichtsmassregel angewandt, dann wäre er
jedenfalls auf Nimmerwiedersehen vom Deck verschwunden gewesen.
Kurz darauf grösser Rumor in der neben meiner Koje
liegenden und an die Kajüte grenzenden Speisekammer. Ein paar
Dutzend kugelrunder Edammerkäse wurden von ihren Plätzen
heruntergeworfen, schlugen die Thüre der Kammer auf und rollten
nun unaufhörlich, hoch an die Wände aufspringend, durch
die Kajüte hin, bis sie, nicht ohne grosse Anstrengung, wieder
eingefangen und in sichere Verwahrung gebracht waren. Es bildete
diese Jagd in der schaukelnden Kajüte, obwohl nicht ganz
ungefährlich, doch eine ungemein ergötzliche Scene, bei der wir
uns des Lachens nicht enthalten konnten. Inzwischen war noch
ein Segel her unter geholt und die Wache wurde verstärkt, denn
dem Kapitän schien bei der Sache nicht mehr ganz wohl zu sein.
Schon früh am nächsten Morgen begaben wir uns an Deck.
Die aufgeregte, tobende See bot einen imposanten Anblick dar,
einen Anblick, wie ich ihn mir früher mit meiner kühnsten
Phantasie nicht zu träumen gewagt hätte und den ich nie vergessen
werde. Wie klein fühlt man sich da, wie auf einer
Nussschale treibend inmitten des tobenden, fessellosen Elementes!
Beschreiben lässt sich dieser Anblick nicht, man kann nur
sehen und staunen! Wer die hehren Eisfirnen der Alpen nicht
geschaut, wer nie die verschwenderische Natur der Tropen bewundert
und nie bei Sturm auf weitem Ocean geschwommen,
der hat die Welt nicht kennen gelernt! Was muss man mehr
bewundern, die himmelanstr'ebenden Schneegebirge, den in
seinen Tiefen aufgewühlten, empörten Ocean — oder den Muth
des Menschen, der den Kampf mit den trügerischen Wogen aufnimmt
und ihnen Gut und Leben anvertraut?
Das herrliche Lasurblau, das bei stillem Wetter so angenehm
das Auge fesselt, hat einem tiefen, unheimlichen Schieferschwarz
Platz gemacht. Die aufgeregte See erinnert unwillkürlich an
eine holländische Dünenlandschaft. Nicht ■ lange Wälle sind es,
die sich hinter einander aufthürmen, es ist vielmehr ein weites
Hügelmeer, aus vereinzelten, bald kürzern, bald längern Wellenhügeln
bestehend. Ihre Höhe ist sehr ungleich, je nachdem sie
sich in grössern oder kleinern Abständen folgen und tiefe Thäler
zwischen sich lassen oder mit ihrer breiten Basis dieselben ausfüllen,
doch schätzte ich dieselbe auf 20 bis 40 Füss. Gewöhnlich
geschieht es, dass drei bis vier aussergewöhnlich hohe
einander folgen, worauf dann eine kleine Pause eintritt, als ob
die See wieder Kräfte zu einem neuen Anlauf sammeln wollte.
Oft kommen sie angerollt mit -breiten Rücken (Roller) und
nehmen dann eine Breite bis zu hundert Schritten ein, oft aber,
wenn zwei dicht hinter einander herkommen, überstürzen sie
sich auf ihrer grössten Höhe, d. h. die zweite wälzt sich über
die erste her und stürzt, nachdem sie deren Gipfel erreicht hat,
mit Donnergebrüll, in Schaum und Gischt sich zerschlagend,
einem Wasserfalle gleich über die ersten hin (Brecher). Diese
Letztem sind den Schiffen weit gefährlicher als die ziemlich
unschuldigen Roller, weil sie höher sind als diese und scharfe
Kämme bilden, in denen ein Schiff bei etwas ungeschickter Steuerung
leicht umschlagen kann. Alle aber sind mit kleinen Runzeln
bedeckt, verursacht durch den über sie hersausenden Sturm.
Haushoch kommen die Wellenberge hinter dem Schiffe angerollt
und benehmen auf einmal alle Aussicht auf das weite, schäum