liessen sich infolge der trüben Luft nur die gröbsten Umrisse
des langgestreckten, hohen Inselgebirges erkennen. Es kamen an
diesem Tage zahlreiche Schiffe in Sicht, denn Madeira ist nicht
nur ein Punkt, wo viele Fahrzeuge anlegen, sondern dem auch
manche in diesen Gewässern segelnde Schiffe sich nähern, um
ihre Längen- und Breitenbestimmungen zu controliren. Hier sah
ich auch die ersten Sturmvögel (Thalassidroma pelagica). Der
Zufall wollte, dass am Nachmittage ein richtiger Sturm aus
S. W. eintrat, der uns zwang, von unserm Kurse bedeutend
abzuweichen. Welch ein Contrast gegenüber dem gewöhnlichen
Wetter unter diesen Breiten! Laue Luft, eine klarblaue, spiegelglatte
See, Schaaren von fliegenden Fischen, langsam dahintreibende
Schildkröten, gefrässige Haie und spielende Delphine,
das ist das Schauspiel, das diese Gewässer gewöhnlich bieten,
und nun?,— Trübe Luft, rollende, bleigraue Wogen und Sturmgeheul
!
Yon hier ab hatten wir eine ganze Woche mit Regenstürmen
und Gegenwind zu kämpfen, und was man an einem Tage gewonnen,
gieng am ändern wieder verloren. Am 6. Dezember
wurde ich schon um drei Uhr morgens an Deck gerufen, um
nochmals Madeira zu sehen. Etwa eine geogr. Meile östlich von
uns zeigte sich die Insel, deren Schmalseite uns zugekehrt war,
so deutlich, dass man alle Contouren, ja selbst die mit Wald
bedeckten Abhänge genau unterscheiden konnte. Der mit geringen
Unterbrechungen wehende Südwest liess uns nur äusserst
langsam vorwärts kommen. Besser gieng es jedoch mit einem
ziemlich constanten Südostwinde, der am 12ten Dezember ein-
setzte und uns ziemlich rasch an den canarischen Inseln vorüberbrachte,
ohne dass wir dieselben in Sicht bekamen.
Am 16. Dezember früh hatten wir das grossartige Schauspiel
einer riesigen Wasserhose, die mit erstaunlicher Schnelligkeit
von der Backbordseite auf das Schiff ankam, glücklicherweise
aber auf etwa 50 Schritte Abstand ihre Richtung veränderte
und direkt hinter uns durchpassirte. Hätte sie. uns erreicht,
dann wäre jedenfalls die Takelage, ja vielleicht das ganze Schiff
verloren gewesen, denn die Zeit war zu kurz, um auch nur
die geringsten Yorsichtsmassregeln zu nehmen,.die Segel einzuholen
und das Schiff in den Wind zu drehen. Das Wasser wurde
auf einer Fläche von mindestens 20 Schritten Durchmesser mit
unglaublicher Schnelle und Kraft schraubenartig in die Höhe
gezogen; die Wassersäule ward mit zunehmender Höhe dünner
und dünner, bis sie in einer Höhe von 40—50 Fuss wieder an
Dicke zunahm und sich auf etwa 80 Fuss Höhe in eine grosse
schwarze Wolke verbreitete, die über der Säule herflog. Das ganze
Schauspiel war in weniger als fünf Minuten nach seinem Erscheinen
wieder am Horizonte ‘ verschwunden.
Die bereits erwähnten Sturmvögel umflogen nun anhaltend
das Schiff und hielten sich besonders an das bewegte Kielwasser,
wo sie jedenfalls an den kleinen pelagischen Crustaceen reichliche
Nahrung fanden und ohne Scheu halb fliegend, halb mit
ihren zartgebauten Schwimmfüsschen auf dem Wasser trippelnd,
bis unter den Stern des Schiffes herankamen. An diesem Tage
passirten wir den Wendekreis des Krebses. Die Luft war mild,
der Himmel und die See waren vom prachtvollsten Blau, das
man sich nur denken kann. Auch die Thierwelt liess uns den
Eintritt in wärmere Regionen erkennen. Während der folgenden
Tage trieben wiederholt Schildkröten — Chelonia viridis, welche
die trefflliche Schildkrötensuppe liefert ,A, sowie' einige Medusen
an uns vorbei, und am 21. Dezember, auf 21° n. B., zogen einige
FinnflscheB- warscheinlich Balaenoptera longimana ^ deren Länge
ich auf wenigstens 20 M. schätzte, ganz in unserer Nähe dem
warmen Süden zu. Sie schwammen in einer langen Linie direkt
hinter einander her, mit ihrer schmalen Rückenflosse ab und zu
die Oberfläche des Wassers schneidend und in ziemlich kurzen
Intervallen beinahe den ganzen Kopf aus dem Wasser emporhebend
, so dass die weisse Farbe der Unterhälfte deutlich sichtbar
wurde. Dabei bliesen sie als echte Wale pustend eine Masse
Wasserdampf durch die oben auf dem Kopfe liegenden Spritzlöcher
aus oder warfen, wenn sie beim Ausathmen den Kopf noch
unter der Oberfläche hatten, einen Wasserstrahl von ansehnlicher
Höhe bogenartig in die Luft.
Ueberhaupt wurde nun die .Thierwelt mit jedem Tage interesT
santer. Schaaren von muntern Delphinen tummelten sich tagelang
um das Schiff herum, mit ihren gewölbten Rücken in zierlichen