in Robertsport wohne, sondern in einer amerikanischen, bapti-
stischen Missionsstation bei - Bendoo am Fisherman Lake. Mein
Erstes war nun, so rasch wie möglich dorthin zu fahren, und
Herr H emminga erklärte sich bereit, mich zu begleiten. Während
nun A rchey die durch Mr. W atson für mich in Dienst genommenen
boys zusammenrief und das Canoe ausrüstete, wechselte
ich meine Kleider und machte mich zur Weiterreise bereit. Um
ein Uhr, in der grössten Sonnenhitze, fuhren wir ab. Wie kam
mir Alles wieder so bekannt und heimisch vor! Jeden Busch
kannte ich noch, als wir den schönen Cape Mount River hinauffuhren.
Auf demselben Platze wie früher nistete noch jetzt eine
Colonie von schwarzköpflgen Reihern ; das Ufer war nach wie
vor von monsterartigen Krabben durchlöchert. Und als wir in
das untere Ende des schönen Fisherman Lake einfuhren, zwischen
den zahlreichen, mir so wohlbekannten Mangrove-Inseln dahinglitten
und an dem langen, quer im untern Ende des Sees hegenden
Eilande M a s s a tin , der Insel Massagh des alten Dapper (siehe
Literaturverzeichniss) vorbeikamen, da war es, als hätte ich erst
gestern dieselbe Reise zum letzten Male gemacht. Ohne irgendwo
anzulegen, fuhren wir bis Solymah, welchen Platz ich am Neujahr
stage 1882 als öde Brandstätte angetroffen und der nun
wieder, freilich durch andere Leute, neu aufgebaut und bewohnt
war. Nach einem Aufenthalte von einigen Minuten fuhren wir
weiter und kamen schon vor vier Uhr auf Bendoo Mission an,
wo ich durch meinen alten Jäger und seine Frau mit offenen
Armen aufgenommen wurde.
Um J ackson Zeit zu gönnen, Alles für seine Abreise-bereit
zu machen, beschloss ich zu bleiben, und Herr H emminga fuhr
mit den boys allein nach Robertsport zurück. J ackson hatte
sich recht gut eingerichtet. Wie schon gesagt, wohnte er hier
mit seiner Frau und einigen angenommenen Kindern — ein paar
Kinder mehr oder weniger am Tische bringt keine Veränderung
in das Budget eines liberianischen Haushaltes — auf einer hübschen,
seit meiner Abreise errichteten. Missionsstation als Hüter des Hauses.
Die gute Frau Demeky gab sich ausserordentlich viel Mühe, um
meine culinarischen Bedürfnisse zu befriedigen, die freilich viel
geringer waren, als sie vorausgesetzt haben mochte. Bendoo
Mission, ein einfaches Holzhaus für die damals abwesenden Missionäre
und ein paar Negerhütten für deren eingeborne Dienerschaft,
liegt entschieden auf dem reizendsten Fleck am ganzen See, dem
westlichen, weit vorspringenden Ende des Hügelzuges von Bendoo,
etwa 50' über dem Wasserspiegel. Dieser Punkt gewährt eine
prachtvolle Aussicht über den herrlich blauen, weiten See, im
Süden auf das dicht bewaldete Cape Mount-Gebirge, im Westen
auf das untere ‘Ende des Sees mit den zahlreichen Inseln und
darüber hinaus bis nach Robertsport hinunter. Sieben Jahre
früher, als ich mich mit S ala in der Stadt Bendoo einquartirt
hatte, führten mich meine Jagdausflüge oft auf diesen Punkt,
der damals mit dichtem Buschwald bewachsen war, und manchmal
wünschte ich, an einer so schönen Stelle wohnen zu können.
Und nun sass ich da auf der schattigen Piazza (Laube) vor der
Thüre im rosigen Scheine der untergehenden Sonne, und neben
mir mein guter Barbarossa und seine wackere Hausfrau, und
wir erzählten uns, eine Cigarre schmauchend, von unsern Erlebnissen
und den mannigfaltigen Veränderungen, die seit meiner
Abreise stattgefunden. Beinahe rührend war es, als Beide mich
nach dem Befinden meiner Eltern und Geschwister fragten und
nicht müde werden konnten, mir immer aufs Neue wieder ins
Gesicht zu sehen und ihre Freude auszudrücken, dass ich nach
so langer Trennung wieder zurückgekemmen sei. Wie ein leichter
Schatten zog es über mich, als sie meiner guten, alten Haushälterin
Mary K ennedy gedachten, die seit meiner Abreise bei
ihnen gewohnt hatte und vor ein paar Jahren gestorben war.
Gar Vieles hatte sich übrigens seither geändert. Neben meinem
Freunde Sala lagen vier Weisse in die Erde gebettet, nämlich
van Es, der Agent der Müller’sehen Faktorei, zwei Matrosen und
der amerikanische Missionär Rev. Meek , von Geburt ebenfalls
Holländer. König Ba r l a h , the King of the Lake, mit dem ich
vor sechs Jahren für einige Dollars Freundschaft geschlossen,
war kurze Zeit vor meiner Ankunft gestorben; auch der Häuptling
von Maima, der mich damals so gerne zu seinem Schwiegersöhne
gemacht hätte, weilte seit geraumer Zeit nicht mehr unter
den Lebenden. Wie war die Zeit hingeflogen! Als wie in ein
Nichts weggesunken kam sie mir vor, als eine unmessbar
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