Im Mai 1884 trat S tampfli , unter denselben günstigen Bedingungen
von Seiten Herrn Müller’s und der liberianischen Regierung,
seine Reise an und hat mir nachher bedeutende zoologische
Sammlungen zugesandt, worunter verschiedene neue Arten und
nebstdem noch manches, das ich während meines ersten dortigen
Aufenthalts nicht gefunden.. Aber auch seine Gesundheit hat
dabei so stark gelitten, dass er im Frühling 1886, nach einem
Aufenthalt von kaum zwei Jahren, zur Rückkehr gezwungen wurde.
Obwohl noch lange nicht am Ziele meiner Wünsche angelangt,
glaubte ich dennoch der Wissenschaft gegenüber verpflichtet zu
sein, die Resultate unserer bisherigen Untersuchungen zu publi-
ciren. Daher nahm ich die freundliche Einladung des holländischen
Geographen Prof. V eth gerne an, der mir zu diesem
Zwecke namens der niederländischen Geographischen Gesellschaft
ein Ergänzungsheft ihrer Zeitschrift1) zur Verfügung stellte. So
entstanden meine „Mededeel ingen over Li ber ia, welche,
begleitet von einer Karte unseres Jagdgebietes, zu Ende 1883
in Bijblad N°. 12 der genannten Zeitschrift erschienen sind.
Da jedoch dieser Reisebericht, weilpn holländischer Sprache
geschrieben, nur einem verhältnissmässig kleinen Leserkreise
zugänglich ist, wurde ich bald von verschiedenen Seiten aufgefordert,
denselben auch in deutscher Sprache herauszugeben.
Lange Zeit zögerte ich damit, in der stillen Hoffnung, meine
abgebrochenen Untersuchungen noch einmal persönlich fortsetzen
zu können, und dies gelang mir endlich, indem ich im Sommer
1886 von der holländischen Regierung einen siebenmonatlichen
Urlaub erhielt.
Zu Anfang November 1886 trat ich, zusammen mit Freund
Sta m p f l i, der sich inzwischen, wieder erholt hatte, die Reise
nach Liberia zum zweiten Male an und hatte das Glück, in der
verhältnissmässig kurzen Frist bedeutende naturwissenschaftliche
Sammlungen zusammenzubringen und unser Wissen über die
Fauna von Liberia nicht allein, sondern auch über seine Geographie
und Geschichte, sowie über die Sitten und Gebräuche seiner
Bewohner zu erweitern.
i) Tijdschrift yan h e t Aardifikskundig Genootsehap te Amsterdam.
Die nachfolgenden Zeilen dürfen daher keineswegs als eine blosse
Uebersetzung meiner Mededeel ingen betrachtet werden. Die
Vertheilung des Stoffes ist theilweise eine andere, und die
Reiseerlebnisse, dort nur bruchstückweise erzählt, sind hier weit
weniger stiefmütterlich behandelt. Unsere Art des Reisens, besonders
das lange Verbleiben auf den verschiedenen Jagdstationen
, liess es aber nicht wünschenswerth erscheinen, die Tagebuchform
beizubehalten. Das Leben auf den Stationen gestaltete
sich oft recht eintönig, so dass man wirklich mit Leib und
Seele Naturfreund sein musste, um sich nicht manchmal es
gründlich zu langweilen. Ich habe deshalb vorgezogen, hie und
da ein Bild unserer Thätigkeit zu geben und daneben nur die
interessantem Erlebnisse und Beobachtungen zu schildern, so
dass sich der Leser dennoch eine treue Vorstellung unseres
Lebens und Treibens machen kann. Ebenso schien es mir angezeigt
zu sein, eine allgemeine Uebersicht der geographischen
Verhältnisse des Landes und ein Bild der Pflanzenwelt in besondern
Capiteln in den Reisebericht einzufügen, während das reichhaltige
Material über die Bevölkerung und die Thierwelt Liberia’s im
zweiten Bande behandelt werden wird. Diese Vertheilung des
Stoffes bietet den doppelten Vortheil, dass einerseits fortwährende
Wiederholungen vermieden werden und der Leser ein klares
Bild des Landes, seiner Erzeugnisse und seiner Bewohner bekommt,
andererseits aber, dass der Fachgelehrte, welcher gewöhnlich auf
das Lesen von Reiseerlebnissen wenig Zeit verwenden kann, ohne
langes, zeitraubendes Nachblättern gleich finden kann, was ihm
auf seinem Gebiete zu wissen nöthig ist.
Die beigefügte Uebersichtskarte von Liberia macht, soweit sie
das Innere des Landes betrifft, durchaus keinen Anspruch auf
mathematische Genauigkeit, doch dürfte sie immerhin dem Leser
gute Dienste leisten. Auf meinen vielfachen Streifzügen war ich
stets bemüht, in Ermangelung geodätischer Instrumente durch
möglichst genaue Distänzenschätzungen und Compasspeilungen
ein richtiges Bild der genannten Gegend zu construiren. Es ist
eben kein Leichtes, auf Märschen durch die alle Uebersicht
hemmenden Waldgebiete des Innern, auf schmalen, halbver-
wachsenen, alle möglichen Krümmungen beschreibenden Fuss