nahendem Fieher kam über mich, als ich zum Canoe hingetragen
wurde, welches draussen im Fahrwasser lag.
Das Canoe war nun mit acht Ruderern bemannt; worunter
drei Leute von Clark und die zwei Personen von Weflah, welche
mir die Antilope gebracht hatten und die gerne einmal Monrovia
und das Meer sehen wollten. Das Fahrwasser durchschnitt in
zahlreichen Windungen die riesige Schlammfläche, so dass es
uns fast nicht möglich war, den richtigen Weg zu finden. Ueberall
starrten uns trostlose, nun im halb abgetrockneten Schlamm
noch trauriger aussehende Mangrovebüsche entgegen. Der Unterschied
zwischen diesem niedrigsten Wasserstande und dem höchsten
zur Fluthzeit, dessen Grenzlinie man deutlich an den hohen
Wurzelbögen der Mangrove ablesen konnte, beträgt etwas über
zwei Meter.
Sehr bald sahen wir zu unserer Linken den bereits erwähnten
Payne svi l l e Creek einmünden, der seinerseits schon früher den
sogenannten Fl a t Creek aufgenommen hatte, und kurz darauf
vereinigte sich mit dem breiter gewordenen Fahrwasser der
ebenfalls links einmündende Cooper ’s Creek. Von hier ab
verfolgt der Fluss in zahlreichen, zum Theil sehr scharfen Krümmungen
längere Zeit eine nordwestliche Richtung, wobei er erst
zur Rechten den George Car e y ’s Creek und unmittelbar
darauf den Congo Town Creek aufnimmt. Obschon wir gegen
die mit Macht einströmende Fluth anzukämpfen hatten , kamen
wir doch, dank der Anstrengungen meiner Ruderer, rasch
vorwärts und erreichten innerhalb einer Stunde eine ’ seeartige
Wasserfläche, in welche von rechts her der Wi t h e r s poon
Creek einmündet. Dieser ist beinahe ebenso breit als der Hauptarm
des Flusses und wird schon oberhalb seiner Einmündung durch
einen Quer-Creek mit diesem verbunden. Hier sahen wir zum.
ersten Male, gerade vor uns im Westen, den Leuchtthurm von
Monrovia. Der Fluss wurde nun merkbar breiter. Um eine scharfe
Ecke herum nach Süden abbiegend, wurden wir von einem
reizenden Landschafbsbilde überrascht. Ein Ausläufer des Höhenzuges,
der das Vorgebirge Messurado bildet, drängte sich mit
steiler Uferwand dicht an den Fluss heran, und unter schönen
Mangobäumen und Kokospalmen zeigte sich das weissgetünchte
Landhaus von Mrs. Roberts, der Wittwe des ersten Präsidenten
von Liberia. Etwas später zweigt sich links ein breiter Creek ab,
welcher mitten durch ausgedehnte Mangrovesümpfe hin nach New
Georgia am Stockton Creek führt und so die kürzeste Wasserstrasse
von Oldfield nach dem St. Paul’s River bildet.
Von hier nimmt der Messurado River eine westliche Richtung
an und erreicht stellenweise eine seeartige Breite, so dass bei
den oft plötzlich entstehenden Tornados die Fahrt per Canoe sehr
gefährlich werden kann. Der Mangrovewald, der von Cooper’s
Creek bis zum Witherspoon Creek sehr hoch ist und mit den
aus seinen Aesten ins Wasser herunterhängenden, tauartigen
Luftwurzeln1) einen interessanten Anblick gewährt, wird nun
sehr niedrig und monoton, begleitet aber den Fluss beiderseitig
bis nach Monrovia hinunter, woselbst wir um halb drei Uhr unter
furchtbaren Krafbanstrengungen und lautem Gesänge der Ruderer
unsern Einzug hielten. Die Compassaufnahme des Messurado
River datirt erst von verschiedenen spätem Fahrten, denn kaum
hatten wir Mrs. Thomas’ Place verlassen, als mich in der dumpfen
Mangroveluft, in der auch nicht der leiseste Windhauch Kühlung
brachte, der Schlaf dergestalt übermannte, dass ich nicht einmal
im Stande war, den Compass abzulesen und, wenn mir dies
gelang, -ich die Richtung schon wieder vergessen hatte, bevor
sie noch zu Papier gebracht war.
Da am Sonntag alle Waarenhäuser (stores) geschlossen sind,
erledigte ich sofort nach der Ankunft meine Geschäfte und besorgte
die nöthigen Einkäufe, worauf ich den Abend zusammen mit
den holländischen und deutschen Handelsagenten zubrachte. Fast
jedesmal, wenn man nach längerm Aufenthalt im Innern wieder
an die Küste zurückkommt, findet man Veränderungen im
Personal der weissen Kaufleute. So auch diesmal. Mein alter Freund
van der Mehlen war etwa acht Tage vor meiner Ankunft mit
zerrütteter Gesundheit nach Holland abgereist, woselbst er seither
auch gestorben ist, und Hartert, der frühere Vertreter der
belgischen Firma in Robertsport, lag gefährlich krank in Monrovia
und wartete auf die erste Gelegenheit, um nach Deutschland
‘) Siehe das Titelbild dieses Capitels.