sehen Winter tage nahmen wir, mein Reisegefährte Sala und
ich, im Museum der Naturgeschichte zu Leiden Abschied von
meinem greisen Lehrer und väterlichen Freunde, Herrn Professor
Sohlegel, sowie von den übrigen Beamten des Museums, die
mich, jeder auf seine Weise, bei meinen Vorbereitungen auf’s
Kräftigste unterstützt hatten. ,
Der Abschied erschien mir nun schwerer, als ich mir früher
gedacht; ich fühlte die volle Schwere der Verantwortlichkeit,
die ich als Leiter der Unternehmung auf mich geladen. Was ist
in sechs langen Jahren alles möglich? Sollten wir uns alle Wiedersehen?
Sollte es uns Scheidenden möglich werden, -den an uns
gestellten Anforderungen zu genügen, sollte ich wirklich hinlänglich
vorbereitet‘und befähigt sein, die Tragweite unserer Aufgabe
richtig zu erfassen, den Zweck derselben unter allen Umständen
im Auge zu behalten? Fast zweifelte ich daran, doch bald gewann'
das Vertrauen in die Zukunft wieder die Oberhand. Mit dem festen
Vorsatz, unser Möglichstes zum Gelingen der Unternehmung
aufzubieten, stiegen wir, begleitet von den Segenswünschen der
Zurückbleibenden, in den Wagen, und bald darauf war das
Museum, war Leiden unsern Blicken entschwunden.
Direkt nach unserer Ankunft in Rotterdam ordnete ich einige
Angelegenheiten mit Herrn Mü l l e r , der uns an Bord seiner
Brigg Libra, Kapitän Ba e e e r , Passage nach Monrovia zugesagt
hatte. Dann besuchten wir die im Leuvehaven liegende Libra,
wo man mit besonderer Rührigkeit beschäftigt war, die letzten
Räume mit Waaren und Provisionen zu füllen. Ein in Ladung
liegendes Schiff sieht nie sehr verlockend aus, bei schlechtem
Wetter aber gleicht das Verdeck und selbst der- Boden der Kajüte
infolge der schmutzigen Strassen einem Sumpf, durch den man
kaum zu gehen wagt. Dazu das Gedränge der an- und abgehenden
Arbeiter, das Stimmengewirr der sich zurufenden Leute, das
Poltern von Kisten und Fässern, das Rasseln der Krahnen, welche
die Ladung Stück für Stück in den nimmersatten Bauch des
Schiffes hinunterbefördern — das Alles macht auf den dieses
Treibens Ungewohnten einen eigenthümlichen Eindruck. Wir
entfernten uns daher, sobald wir unsere Kojen besichtigt, das
Handgepäck geborgen und von dem Kapitän, dem wir uns vorgestellt,
vernommen hatten, dass wir unfehlbar am ändern
Morgen Rotterdam verlassen würden.
Nach einem geselligen, in fröhlichem Freundeskreise zugebrachten
Abend verliessen wir zur festgesetzten Zeit die schmutzigen
Strassen Rotterdams und begaben uns an Bord, wo man bereits
emsig mit den Vorbereitungen zur Abreise beschäftigt war.
Gegen Mittag wurde die Brigg durch einen Schleppdampfer aus
dem Hafen geholt und die Maas hinunter nach Maassluis gebracht,
wo wir vor Anker giengen, um günstigen Wind zum Auslaufen
abzuwarten.
Nach einigen Tagen langweiligen Wartens hatte sich die Ma.a.p
allmälig stromauf- und abwärts mit einer ganzen Flotille von
Segelschiffen bedeckt, die alle wie wir auf das Umdrehen des
Windes warteten. Unsere Mannschaft — ausser dem Kapitän
zwei Steuerleute, ein Bootsmann und sechs Matrosen, wovon
der Eine als Koch und Hofmeister fungirte — war inzwischen
nicht unthätig geblieben. Kaum war man seines Lebens sicher
vor all dem Plätschern und Scheuern, nirgends war mehr ein
Zufluchtsort zu finden, und an Land gehen konnten wir nicht.
Wer aber das Schiff in Rotterdam verlassen hätte und hier
wieder an Bord gekommen wäre, der hätte dasselbe kaum wieder
erkannt. Die gründliche Reinigungsprozedur hatte den unansehnlichen
schwarzen Kasten in ein schmuckes Fahrzeug, verwandelt;
Alles stand nun an seinem Platze und die Segel lagen
klar zum Afhissen.
Erst den 19ten November erhob sich ein günstiger Ostwind;
der Lootse kam an Bord, die Anker wurden gelichtet, und
gegen Abend wurden wir durch einen Schleppdampfer in See
gebracht. Die Raen wurden gebrasst, Segel beigesetzt, dem
zurückkehrenden Lootsen die letzten Abschiedsbriefe an die
zurückgelassenen Lieben mitgegeben, und bald darauf war der
letzte Schimmer der durch die Abendsonne beleuchteten niedrigen
Stranddünen Hollands unsern Blicken entschwunden — wir
fuhren-mit geblähten Segeln vor frischem Ostwinde westwärts,
in die inzwischen angebrochene Nacht hinein. Bald aber beleuchteten
zahlreiche vlämische und englische Fischerboote unsern
Weg, und in der Frühe des folgenden Morgens hatten wir be