in’s Innere bereit zu sein, machten wir doch beinahe alle Morgen
Meine Spaziergänge in die nächste Umgebung der Stadt, der man
einen hohen landschaftlichen Reiz nicht absprechen kann. Besonders
lohnend fand ich einen Gang in südöstlicher Richtung, wo die
Stadt buchstäblich allmälig in den Hochwald übergeht. Je weiter
man sich von dem Centrum der Stadt mit seinen stattlichen
Häusern entfernt, je seltener und ärmlicher die menschlichen
Wohnungen werden, desto üppiger, desto überwältigender wird
das malerische Chaos von Busch und Baum, die ihre Aeste bis
unter die Dächer, ja selbst durch die fensterlosen Lichtöffnungen
strecken und die halb verfallenen Hütten der hier wohnenden,
weniger begüterten Klassen in ein Meer von Grün beinahe
versinken lassen. Ueberall herrscht der zwangloseste Wechsel
aller Schattirungen, aller Abstufungen von den hellsten bis zu
den dunkelsten Farbentönen. Herrliche Kokospalmen, umrankt
von in voller Blüthe stehenden Caprifolien, ragen mit ihren
Büscheln von 6—15 Fuss langen Wedeln hoch in die mit Wohlgerüchen
geschwängerte Morgenluft hinein. Zahlreiche Orangen-,
Limonen- und Guavenbäume mit ihren goldenen Früchten,
Kaffeebäume, schöne Akazien mit zarten Fiedern, zahlreiche
Bananenstauden mit ihren hellgrünen, über 10 Fuss -langen
Blättern und schweren Fruchttrauben geben dieser Landschaft
einen eigenthümlichen Reiz und ein wohlthuendes Colorit, das
noch gehoben wird durch die prachtvolle Selaginella scandens,
die das von allen Seiten hereindringende Gebüsch mit einem
moosgrünen Teppich überzieht und wie Guirlanden von den
Aesten herunterhängt. Seltsame Blumen von den prachtvollsten
Farben und theilweise wunderlichsten Formen, umschwärmt von
farbenreichen Schmetterlingen und metallglänzenden, kolibriartigen
Nectarinien, erhöhen noch den landschaftlichen Reiz. Nur riechen
viele dieser Blumen — gerade die interessantesten — nicht, und
den genannten Vögeln, den farbenprächtigsten Afrika’s, fehlt
grossentheils die Gabe des Gesanges.
Kaum hat man jedoch die letzte Hütte, den letzten verfallenen
Steinwall, der den verwahrlosten Hausplatz von seiner Umgebung
abschliessen soll, hinter sich, dann tritt man gleich auf schmalem -
Pfade, über dem sich undurchdringliches Buschwerk zusammenwölbt,
wie durch das dunkle Thor einer Festung in den Wald
hinein. Aber nur auf den durch jahrelangen Gebrauch tief ausgetretenen,
vielfach verschlungenen Fusspfaden ist es möglich,
vorwärts zu dringen. Alles Uebrige 'ist ein grosses Gewirre
von hochstämmigen Bäumen , üppig wucherndem Unterholz und
alles zu einem grossen Gewebe'Vereinigendem Schlingpflanzen.
Während der Nordabhang des Vorgebirges ziemlich steil zum
Flussufer abfällt, ist der südliche Abhang annähernd eine englische
Meile breit und senkt sich fast unmerkbar allmälig zum Strande
ab. Auf diesem breiten Südabhang befindet sich der sehr ausgedehnte
Begräbnissplätz (grave-yard) Monrovias, mit vielem Buschwerk
und nicht sehr grossen, einzelstehenden Bäumen, zwischen denen
man ab und zu bedeutende Gruppen von Gräbern, theils mit
kostbaren Gräbmälern von Stein und Eisen antrifft. Die meisten
Gräber sehen sehr verwahrlost aus, viele aus Eisen construirte
Kreuze und Einfriedigungen sind dem Rost erlegen, und nur die
steinernen Grabmäler sind verhältnissmässig gut erhalten. Wie
mancher Weisse, der jung und strotzend von Kraft hieherkam,
den Kopf voll hochfliegender Pläne, hat da schon seine letzte
Ruhestätte gefunden!
Weiter hinab, an dem durch die Termiten zerfressenen, dem
Einsturze nahen Galgen vorüber, schlängelt sich der Fusspfad,
bald .über Grasflächen, bald durch dichtes Gebüsch, dessen Zweige
Einem beim Passiren in’s Gesicht schlagen, hinab zum Strande,
der wie ein breiter, hellgrauer Gürtel das Vorgebirge umzieht.
Hie und da wird er durch Haufen vorgeschobener, kolossaler
Felsmassen unterbrochen, gepeitscht durch die tosende Brandung,
die sich an ihnen zu Schaum und Staub zerschlägt, in dem
herrliche Regenbogen spielen.
Bedeutend höher, als die .Stadt, 240 Fuss über dem Meeres-
spieg'el, steht auf dem westlichsten Vorsprunge des Vorgebirges
der ziemlich primitive Leuchtthurm, der aber so wenig Licht
verbreitet, dass die zufällig in der Nacht passirenden Dampf boote
Viänfig die Rhede nicht finden und unbewusst vorbeifahren, bis
sie dann in der Morgendämmerung'sich nach der Configuration der
Küste orientiren können. ¡ Ein Gang von der Stadt aus zu diesem
.Leuchtthurme hinauf ist in der- Morgenfrische sehr angenehm, in
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