aber wie sein Neffe Clark viel mit Christen in Berührung
gekommen, ja er hatte sogar bei den Liberianern lesen gelernt.
Das Christenthum schien ihm imponirt und dessen Lehren ihn
viel beschäftigt zu haben, denn in seinen alten Tagen noch
bekam er, nach der Weise der Methodisten, religiöse Erweckungen,
d. h. er fühlte auf einmal die ganze Schwere seines bisherigen
sündigen Lebens und zugleich den Ruf, in die Gemeinde der
Christen aufgenommen zu werden. Er entliess nun seine sämmt-
liohen Frauen bis auf seine head-woman, und die jüngste davon,
Ma r t , wurde, bald darauf von Clark annectirt. Der gute, alte
Onkel, der selbst wenig mehr arbeitete, las fast den ganzen
Tag in seinem- englischen Neuen Testamente, betete viel und
trachtete auch die Leute von Hill Town zum Christenthum zu
bekehren. Er war ein herzensguter, alter Mann, dem es mit seinem
Christenthum wirklich Ernst war und der dessen Lehren von
Ehrlichkeit und Nächstenliebe bei sich selbst streng in Anwendung
brachte.
Clark hatte in dieser Hinsicht ein viel weiteres Gewissen
und wusste Vielweiberei und Fetischglauben trefflich mit dem
Christenthum in Uebereinstimmung zu bringen. Auch er hielt
an gewissen Abenden und manchmal am Sonntag eine Art
Gottesdienst, wobei er die Bewohner von Hill Town um sich versammelte
, vor ihnen in der Queahsprache irgend einen- Bibeltext
erklärte und dann die Bibelstunde mit einem kurzen Gebete
schloss,.
Trotz der christlichen Bestrebungen Clark’s und seines Onkels
beherbergte Hill Town zwei Männer, die in ganz anderer Richtung
thätig waren. Der Eine war ein Zaube r d ok tor (greegree-
man, mededne-man), der sich einbildete, Krankheiten mit der einen
oder ändern Zauberformel heilen, gestohlenes Eigenthum zurückerlangen
, überhaupt die wunderbarsten Sachen verrichten zu
können. Dieser Mann, der übrigens mehr Zauberer als leaf-dodor
war, hielt grosse Stücke auf sich selbst, trug stets eine schwarze,
wollene Zipfelmütze, die er bis über die Ohren und in den
Nacken herunterzog, und darüber einen grauen Cylinderhut, den
er auf irgend welche Weise in seinen Besitz zu bekommen
gewusst hatte. Diese Kopfbedeckung, zusammen mit der übrigen,
sehr spärlichen Kleidung, die aus einer alten Weste und einem
um die Lenden gewickelten Taschentuche bestand, sowie seine
etwas affektirt würdige Haltung gäben dem Manne ein besonders
komisches Aussehen. (Siehe vorstehende Abbildung).
Das zweite Original war ein alter Mandingomann mitsilber-
weissem Haar und Bart, von dem ich nie erfahren konnte, wie
er dazu gekommen war, sich in dem armen Neste niederzulassen
Er war wie die meisten Mandingo, Mohammedaner und hielt
mit grösser Strenge an all den Formeln fest, die sein Glaube
ihm vorschrieb. Schon früh vor Tagesanbruch konnte man ihn
in seiner ärmlichen Hütte singen und seine _ ellenlangen Gebete
hersagen hören, und kein Abend gieng vorbei, ohne dass er sich
vor das bereits früher erwähnte kleine Häuschen auf dem öffentlichen
Platze hinsteilte, mit einer fabelhaften Zungengeläufigkeit
seine Gebete herunterplapperte und zum Schlüsse, nachdem die
Sonne unter den Horizont gesunken war, mit feierlicher Stimme
sein Allah il Allah in die dunkle Nacht hinaussang. Obschon der
gute Alte kein eigentlicher Derwisch war und sich auch keine
Mühe gab, unter diesen Kafirs Anhänger für den Islam zu werben,
wurde er doch scherzweise „der alte Murry,” eine Abkürzung fies
Wortes murry-man (Derwisch) genannt. Niemand in der ganzen
Stadt dachte daran, dem Manne seine etwas lauten Glaubensäusserungen
übel zu nehmen, am allerwenigsten der Häuptling Clark
selbst, welcher, obschon dem Christenthum zugethan, denselben
doch gerne leiden mochte. Ueberhaupt ist Liberia das Land der
unbeschränktesten Glaubens- und Gewissensfreiheit, und zur Ehre
der Missionäre wie auch der christlichen Americo-Liberianer muss
gesagt werden, dass ihnen religiöser Fanatismus und Hass gegen
Andersgläubige stets fern geblieben ist und, wie ich hoffe, auch
in Zukunft stets ferne bleiben wird.
Am 11. April kam unser Diener Peter an, den Stampfli
sandte, um nach meinem Befinden zu fragen, da in Schieffelins-
ville ungünstige Berichte über meinen Zustand eingelaufen waren,
und zugleich ein neues Jagdgewehr zu überbringen, das aus
Holland angekommen war. Da ich mich wieder etwas stärker
fühlte, so beschloss ich, unverweilt die.Rückreise nach Schieffelins-
ville anzutreten. Ich rechnete mit Mr. Clark, der mir nun