Monrovia stets von einem oder zwei Bedienten .begleitet und
scheint er dort überhaupt als der Prinz aus einflussreichem Hause
aufgetreten zu sein. Seither waren aber augenscheinlich auch
bei ihm die Zeiten schlechter geworden, denn wie wir später
sehen werden, war seine Macht zur Zeit unseres Aufenthaltes
in seiner Residenz auf Null zusammengeschrumpft. In einem
alten, abgegriffenen Ledertäschchen bewahrte er nebst einigen
ändern Papieren ein Dokument, laut welchem er sein Land der
liberianischen Regierung abgetreten und dafür von Letzterer als
chief anerkannt und beauftragt war, in seinem Gebiete die
Ordnung zu handhaben, Freundschaft mit den Liberianern zu
pflegen und etwaige Steuern für die Regierung gewissenhaft
einzuziehen. Viel Mühe hat ihm diese letztere Aufgabe nie
verursacht, denn was sollte er einziehen, er, der selbst nichts
hatte, von seinen Unterthanen, die wenn möglich noch ärmer
waren?
Diese Leute besitzen auch wirklich nichts, als was sie jeden
Tag zum Essen herbeischaffen. Auf ausgebrannten Waldstellen
bauen sie etwas Maniok und Bataten; sie pflanzen rund um ihre
Hütten einige Bananen, holen sich aus den nahen Wäldern
einige Büschel Palmnüsse, welche Letztere, in heisser Asche gebacken,
ein süsses, wohlschmeckendes Fruchtfleisch liefern,
fangen in Reusen Flussfische und Garneelen und wissen im
Nothfalle* eben so gut zu hungern, wie sie zur Zeit des Ueber-
flusses ruchlos mit ihren Mundvorräthen umgehen.
Obschon wir absichtlich unser Feldlager nicht in der Stadt
selbst aufgeschlagen, herrschte doch auf unserer Station bei-,
nahe fortwährend ein bewegtes, unruhiges Leben. Stundenlang
sassen oft ganze Gruppen von diesen genügsamen, schwarzen
Müssiggängem auf die Fersen niedergekauert, die Hände zwischen
den Oberschenkeln, mit apathischer Trägheit unsem Arbeiten
zuzusehen oder sich — und unter ihnen besonders die Frauen —
kichernd und schwatzend über uns lustig zu machen. Der früher
weiter unten gelegene Landungsplatz für die Flussfähre wurde
bald nach unserer Station verlegt, was den Zudrang der Leute
noch vermehrte. Die meisten Gäste hatten' wir stets während
unserer Mahlzeiten, welche die Leute sich bald gemerkt hatten,
und nicht nur aus der nahen Stadt und deren Umgebung, sondern
sogar per Canoe kamen sie vom gegenüberliegenden Flussufer
herüber, um uns essen zu sehen und einige Ueberreste von unserer
Mahlzeit zu erbetteln.
Der grösste unter allen Bettlern war aber der König selbst.
Schon früh am Morgen gieng er in den nahen Wald hinaus, um
Palmwein zu trinken und kam nachher in die Station herunter,
um sich sein Morgenschnäpschen zu erbetteln. Gewöhnlich begnügte
er sich, wenn' sein Wunsch nicht gleich befriedigt wurde, eine
Zeitlang stillesitzend unsern Arbeiten zuzusehen. Dauerte ihm
dies endlich zu lange, so stand er auf, trippelte hin und her,
setzte sich hin, stand wieder auf, räusperte sich und sagte:
,1 live for go" 1). Thaten wir dann, als ob wir seinen Wunsch
nicht merkten, und sagten: „All right”, so wurde er etwas
deutlicher und sagte, indem er mit der Hand eine Bewegung
machte, als ob er ein Gläschen hineinstürzte:,,! amgoing”3) oder:
„make me strong’’3). Erhielt er aber sein Gläschen früher, dann
blieb die Wirkung selten aus, denn Branntwein direkt auf
Palmwein getrunken, kann selbst ein Negermagen nicht ungestraft
ertragen. Er wurde dann ausserordentlich heiter und
aufgeräumt und führte auf dem Platze vor unserer Hütte allerlei
Solotänze aus. War aber der Spiritus einmal verflogen, so
wurde der königliche Tänzer bald müde, legte sich auf eine
unserer Kisten nieder und fiel für mehrere Stunden in einen
tiefen Schlaf. Da jedoch unsere Rationen ziemlich spärlich
ausfielen und seine ausgesprochene Vorliebe für. Spirituosen
nicht immer befriedigt werden konnte, so schleppte er uns bald
diesen, bald jenen Gegenstand, gleichviel auf welche Weise er
erworben war, herbei, um denselben in Branntwein umzusetzen.
Mitunter brachte er sogar, wohl unter seiner langen Toga von
inländischem Tuche verborgen, ein Huhn, das er uns, um
unliebsamen Auseinandersetzungen mit seinen Unterthanen vorzubeugen,
unter der strikten Bedingung verkaufte, dasselbe
sofort .abwürgen und pflücken zu lassen.
b Wörtlich: „Ich lebe um zu gehen,” d. h. „ich hin bereit hinzugehen.”
-) „Ich gehe.”
8) „Mache mich stark.”