durften, miethete ich gleich einen Führer, welcher uns in kurzer
Zeit möglichst viel sehen lassen und zugleich mit einem derben
Knüppel die von allen Seiten auf uns eindringenden, ihre
Dienste anbietenden und bettelnden Wegelagerer vom Leibe halten
konnte. Dicht am Strande stand eine ganze Reihe von eigen-
thümlich gebauten Ochsenschlitten, mit je zwei magern, breithu-
figen, rothen Ochsen bespannt. Da die Fahrwege durch die Insel,
ja selbst in der Stadt, zu steil sind, um mit Wagen befahren
zu werden, so ist der Ochsenschlitten das einzige Transportmittel,
bei welchem Zugthiere gebraucht werden.
Die Strassen der Stadt sind sehr steil und ziemlich eng, und
das aus runden, durch die Schlittensohlen geglättenen Rollsteinen
construirte Pflaster lässt den unvorsichtig Gehenden jeden Augenblick
ausgleiten. Die -Häuser sind meist aus Stein, ältere auch
aus Holz gebaut und tragen ein eigenthümliches Gepräge. In
zahlreichen Kaufläden, wo alle möglichen Artikel zugleich verkauft
werden, wird man zur Besichtigung der Waaren eingeläden,
und alte Weiber der allerhässlichsten Sorte, durch ihre Tracht
und die eigenthümliche Weise, in der sie ihr schmutziges Kopftuch
tragen, noch älter gemacht als sie wirklich sind, begegnen Einem
auf Schritt und Tritt, stehen an Strassenecken und Kirchthüren;
ja selbst am Schalter des Postbureaus wurden wir durch ein
krüppelhaftes Geschöpf belästigt, das mit den schmutzigen, dürren
Fingern die entzündeten, halb verklebten Augenlider auseinan-
derriss, um uns durch den ekelhaften Anblick mildthätiger zu
stimmen. Wir besuchten unter Anderm den hübschen botanischen
Garten, woselbst die verschiedensten tropischen und subtropischen
Pflanzen aller Welttheile in freier Luft vortrefflich gedeihen.
Besonders interessant war ein Gang über den grossen, wohleingerichteten
und reich besetzten Fisch- und Gemüsemarkt. Auf
dem Erstem waren die mannigfaltigsten frutti di mare vertreten,
denn die Umgebung Madeira’s ist ausserordentlich reich an
verschiedenartigen Seefischen, Krebsen u.dgl., und überall standen
kleine Gruppen von Männern, die sich an einer Art Muschel,
mit Limonensaft befeuchtet, gütlich thaten. Auf dem Obst- und
Gemüsemarkt fanden wir Massen von Aepfeln und Birnen, und
gleich daneben Orangen, Citronen, Limonen, grosse Trauben
Bananen, ganze Körbe voll Kastanien, Feigen, Melonen, Gurken,
Ananasse, Bataten, Mais, Bohnen, Kohl etc. Es war während
der Mittagsstunden sehr warm, und dies mag der Grund gewesen
sein, weshalb wir fast keinem der dort stets zahlreichen Kurgäste
begegneten. In einer schattigen Rebenlaube, wohin wir uns zurückzogen,
um bei einem Glase echten (?) Madeira’s etwas auszuruhen,
sahen wir einen wilden Kanarienvogel. Diese ausgezeichneten
Sänger kommen bekanntlich hier und auf den kanarischen Inseln
wild vor, werden aber auch gezüchtet und in schönen Käfigen aus
Weidengeflecht überall zum Kaufe angeboten. An Bord zurückgekommen,
sahen wir mit Yergnügen nach den zahlreichen
halbnackten Jungen, welche um die Wette den von uns in die
See geworfenen, kleinen Silberstücken nachsprangen und dieselben
tauchend oft aus bedeutender Tiefe heraufholten.
Erst um fünf Uhr abends verliessen wir die Rhede, und bald
war das herrliche Zauberbild von Madeira unter dem Horizonte
verschwunden, langsam, wie es am Abend vorher vor unsern
entzückten Blicken aufgetaucht.
Der folgende Morgen (16 November) brachte uns ein schwaches
Gewitter, wobei der Wind aus S.W. nach N.O. umschlug und
uns als Nordostpassat bis zu unserer Ankunft an der afrikanischen
Küste treu blieb 1). Dabei wurde die Luft dunstig und
trübe, so dass, als wir etwas nach 12 Uhr endlich den Pic von
Teneriffa erblickten, derselbe sammt dem ganzen Gebirgsmassiv
dieser Insel schon hoch über den Horizont aufgetaucht war. Dieser
Bergriese ist 3716 M. hoch und kann daher bei ganz klarem
Wetter schon auf einen Abstand von- 200 Kilometer (circa 120
englische Meilen) gesehen werden. Erst gegen Abend kamen wir
der Insel endlich so nahe, dass wir allerlei Details unterscheiden
konnten; doch als wir die Rhede von Santa Cruz de Teneriffa
erreichten, war es bereits zu dunkel geworden, um noch vor
Anker gehen zu können, so dass wir die Nacht hindurch angesichts
der zahlreichen Lichter von Santa Cruz auf- und niederkreuzen
mussten.
b Auf meiner ersten Hinreise erreichten. wir den Passat am 23.Decemher
auf 19° nördlicher Breite.