kleine Spanne, nun ich mich wieder hier befand, in dem Lande
meiner Träume, unter lieben, alten Bekannten. Es war inzwischen
dunkel geworden; die zahlreich durcheinander schwärmenden
, in der kurzen Dämmerung mit geschickten Schwenkungen
nach Fliegen und Mücken jagenden, breitschnäbeligen Mandelkrähen
(Jlurystomus afer, in Liberia day-bats genannt) hatten sich zurückgezogen,
ein Flug Graupapageien kam kreischend, schwatzend,
flötend und singend über den See geflogen, um im nahen Walde
seine Schlafquartiere zu beziehen; eine einsame Fledermaus huschte
ab und zu in lautlosem Zickzackfluge unter dem Dache der
Piazza dahin, und wie Irrlichter schwankten Hunderte von Leucht-
käferchen auf und ab, während noch zahlreichere gleich leuchtenden
Thautropfen an den Grasspitzen hingen. Nacht war es
nun und stille ringsum. Nur aus den nahen: Dependenzge-
bäuden schallte ab und zu helles, fröhliches Lachen herüber;
denn dort sass A rghey und scherzte mit den um das Herdfeuer
niedergekauerten Eingebornen, worunter ein hübsches Mädchen,
das ihm, wie mir schien, den Kopf etwas warm gemacht hatte.
Ich aber schwelgte im Hochgenüsse dieser tropischen Abendstunde,
alle Sorgen um Vergangenheit und Zukunft weit hinter mich
werfend. Jetzt durfte ich sie noch geniessen, voll und ganz, diese
schönen Augenblicke, die mir vielleicht nur gar zu bald durch
Krankheit und Widerwärtigkeiten vergällt werden konnten; denn
wo Sorge uns Abends zum Lager begleitet und am Morgen beim
Erwachen fragend am Bette steht oder sogar stundenlang den
Schlaf verscheucht, da findet die Poesie keinen Platz, um unsere
Erlebnisse mit rosigem Dufte zu umweben.
Indessen hatte Jackson den Schatz ’ seiner Neuigkeiten noch
nicht erschöpft. Er erzählte mir vom Friedensschlüsse mit
den Gallinas und der dabei festgestellten und streng nachgekommenen
Bedingung, dass, nun der Friede für alle Zeiten geschlossen
sei, alle Palissaden- und andere Befestigungswerke um die
verschiedenen Vey-Städte abgetragen werden mussten. Ich bedauerte
diese Maassregel sehr, sowohl im Interesse der guten Vey-
Leute, da ich doch nicht an eine Beständigkeit des Friedens
glaubte, als auch um meinetwillen, da. ich mir bestimmt vorgenommen
hatte, einige musterhaft angelegte Werke photographisch
aufzunehmen. Und wie leicht hätte ich dazu Gelegenheit
gehabt! Ganz in der Nähe lag das Negerdorf Bendoo, früher
durch einen Gürtel von lebenden Akazien umspannt, neben an
die Städte Toöcoro und Passaro, beide ehemals stark befestigte
Plätze, und noch etwas weiter oben das Modell eines frühem,
vielfachen und soliden Festungsgürtels, die grosse Stadt Gonnama
am Morü River. Auch in politischer Beziehung hatte sich Manches
geändert. König Morana Sando hatte den Friedensschluss
nicht lange überlebt; mit seiner Macht nach Aussen schien auch
seine innere Kraft gebrochen zu sein. Er fühlte keine Lust
mehr, um länger in Cobolia zu wohnen, baute das verfallene
S u g a ry , die Stadt seiner Väter am Flusse gleichen Namens
wieder auf und zog sich mit seinem ganzen, grossen Haushalt
dorthin zurück, wo er auch bald darauf starb. Seine Leiche wurde
mit all den beim Vey-Stamme üblichen Festlichkeiten und Cere-
monien, die einem grossen Könige zukommen, bestattet. Ein grosses,
mehrtägiges Fest {big play) wurde veranstaltet, wobei ausserordentlich
viel geschossen wurde,' wo man Trauergesänge sang,
wo zahlreiche Frauen, sogenannte. Thränenweiber, klagen und
weinen mussten und das in einem grossartiger Schmause nebst
Trinkgelage seinen Abschluss fand.
Eigenthümlicher Weise wurde nicht Morana’s ältester Sohn
Davinda zum Nachfolger ernannt, sondern sein grösster Nebenbuhler,
König F r e em an1) von Madina am Glima Creek, ein
schlauer Intrigant, der schon zu Lebzeiten Morana’s Macht zu
untergraben suchte, bei den verschiedenen Häuptlingen der Vey
sich einzuschmeicheln wusste, das Vertrauen und die Unterstützung
der liberianischen Regierung zu gewinnen verstand und
nach meiner festen Ueberzeugung bei den Einfällen der Kosso
nicht ganz unbetheiligt war. Madina war damit Reichshauptstadt
des Vey.Gebietes geworden, und Cobolia, die einst so blühende
Metropole am Mahfa River, geht jetzt rasch ihrem Verfall entgegen,
umsomehr, da der Palmöl- und Palmkernhandel sich weiter fluss-
') Auch F r e bm ä n ist seither nach sehr kurzer • Regierung zu seinen
Vätern versammalt worden, und an seiner Statt wurde ein jüngerer Bruder
Mo ra n a ’s zum Könige gewählt.