Am ändern Morgen hatten wir heim Einfahren auf die Rhede
den Genuss, hei hellem Wetter das mit grotesken, vielzackigen
Kämmen gekrönte Gehirgsmassiv der Insel und den im
Hintergründe am Südwestende der Letztem sich aufthürmenden
Kc von Teneriffa (Pico de Teyde) in ihrer ganzen Herrlichkeit zu
bewundern. Der Letztere hot einen besonders schönen, grossartigen
Anblick dar. Seine höchste Kuppe, ein auf breiten, massigen
Schultern ruhender Kegel, war mit frisch gefallenem Schnee
bedeckt, der sich in langen, nach unten schmäler werdenden
Streifen bis tief in die Schluchten der Abhänge hinunterzog. Die
Besteigung dieses Berges wird in der Regel von Orotawa aus,
einem Kurort auf der ändern Seite der Insel, unternommen und
soll 48 Stunden in Anspruch nehmen. Alexander von Humboldt,
der den Pic erstiegen, soll, auf dem Rande des Gipfelkraters
angekommen, durch die Grossartigkeit des Riesenpanorama’s zu
Thränen gerührt gewesen sein.
Leider konnten wir den herrlichen Anblick nicht lange geniessen,
denn kaum hatte die Sonne eine Stunde am Horizont gestanden,
als sich erst die höchsten Gipfel, später sogar auch die niedrigen
Bergrücken in einen dichten Wolkenschleier hüllten. Dafür genossen
wir nun mit unvertheilter Aufmerksamkeit die Aussicht auf das
liebliche Panorama, das sich in der Nähe vor unsern Blicken
ausbreitete. Da lag gerade vor uns an einer tiefen, von hohen
Bergen umrahmten Bucht das malerische, wie an den Abhang
und Fuss des Berges hingegossene Santa Cruz, die Hauptstadt
der Insel. Das reizende Landschaffcsbild wurde von der goldigen
Morgensonne und einem eigentümlichen, durch die im Hochgebirge
hangenden Nebel bewirkten Lichtreflex zauberhaft beleuchtet.
Santa Cruz de Teneriffa zeigt schon von der Rhede aus gesehen
einen eigentümlichen, spanischen Charakter, der ihm besonders
durch die weissgetünchten Häuser mit den flachen Dächern aufgeprägt
wird.
Nach dem Frühstück fuhren wir an Land und legten hinter
dem langen, mit einem Leuchtthurme versehenen Molo (Hafendamm)
an. Dort fanden wir unter einem grossen Güterschuppen
eine Menge Auswanderer, die, von den verschiedensten Inseln
der kanarischen Gruppe zusammengekommen, auf das bereits
fällige, spanische Boot warteten, um nach Savannah überzusiedeln.
Die Stadt selbst gefiel uns viel besser als Funchal, denn die
Häuser sahen im Allgemeinen besser aus ; auch wurden wir nicht
durch Führer und bettelnde Weiber belästigt, wie in dem portugiesischen
Madeira, denn dazu scheint der Spanier zu stolz sein.
Zweirädrige Wagen, mit je zwei feurigen, kleinen Pferden bespannt,
sprengten in voller Carrière durch die gut gepflasterten, etwas
undulirten Strassen, und schöne Bäuerinnen ritten auf schwerbeladenen
Packeseln und Maulthieren einher und trugen nicht
wenig dazu bei, dem Strassenleben ein eigenthümliches Gepräge
aufzudrücken. Auch unter den Bauern trafen wir viele ritterliche
Gestalten, denen die weisswollenen, spanischen Mäntel gar nicht
übel standen und die mit einer gewissen Grandezza einherschritten.
Wie in Funchal, so fanden wir auch hier Kaufläden für Allerlei,
wobei nirgends geistige Getränke und Weine fehlten; auch
wurden überall Kanarienvögel, einer gelben, dort gezüchteten
Rasse angehörend, zum Kaufe angeboten. Wie bereits erwähnt,
wird auch hier der Kanarienvogel in wildem Zustande angetroffen.
Das Männchen ist gelblich grün, das Weibchen mehr graugrün.
Die verschiedene Färbung der Geschlechter, sowie der schlankere
Bau und die schwärzliche Farbe der Füsse lassen den Stammvater
deutlich von allen unsern gezüchteten Kanarienvögeln unterscheiden.
Auch hier hatten wir nicht viel Zeit zur Verfügung und beschränkten
unsern Besuch auf einen Gang durch die Stadt, wobei
wir nicht vergassen, uns in ein kühles Trinklokal zurückzuziehen
und uns durch eine schwarzäugige Spanierin einen edlen
Malvasier (sogenannten Kanariensekt) vorsetzen zu lassen.
Was mir bei diesem Besuche in Santa Cruz besonders aufflel,
war das- mechanische Glockenspiel (Carillon) auf einem der Thürme
der Stadt, ganz wie man dasselbe in beinahe allen holländischen
Städten zu hören gewohnt ist. Ob dasselbe durch die spanische
Invasion nach Holland gebracht wurde, oder ob die Spanier es
von den Holländern entlehnt haben, ist mir jedoch unbekannt.
Schon um drei Uhr nachmittags fuhren wir weiter, .um am
Abend noch Las Palmas, die Hauptstadt, der Insel Gran Canaria,
zu erreichen. Obschon wir. direkt nach dem Yerlassen der Rhede