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Regen, Thau ^ und Zugluft, nicht aber vor dem dichten, nächtlichen
Nebel und vor Dieben schützen.
Zur Linken unseres Vorplatzes, unter einem auf vier rohen
Pfählen ruhenden kleinen Dache, brannte Tag und Nacht das
Herdfeuer, wo unser Kochkünstler P e te r seine kulinarischen
Meisterstücke produzirte. Die rechte Seite des Vorplatzes wurde
durch einen grossen Käfig abgeschlossen, den unsere Bedienten
aus starkem Plechtwerk eonstruirt hatten, um gelegentlich ein
lebendes, wildes Thier darin aufzunehmen. An diesen Käfig lehnten
einige Angelruthen, die stets bereitgehalten wurden, um einen
verlorenen Augenblick angenehm und nützlich zu verwerthen.
Denkt man sich dabei noch das kleine vom Häuptling geliehene
Canoe, das vor unserer Terrasse an einer Kette festgelegt wurde,
so kann man sich eine ungefähre Vorstellung von der Einrichtung
unserer Jagdhütte machen, die auf allen unsern Stationen so
ziemlich dieselbe blieb, obwohl die Anlage auf jedem der verschiedenen
Plätze sich nach der betreffenden Lokalität zu richten hatte.
Die Aussicht über den Fluss, der hier auf eine kurze Strecke
seine nord-südliche Richtung verlässt und eine kleine Biegung
nach Westen macht, bot ein ungemein reizendes Landschaftsbild.
Die etwa § mile breite Wasserfläche war durch eine grosse
Zahl nackter Felsbänke und kleiner Inseln unterbrochen und
flussabwärts durch den hochaufspritzenden, weissen Gischt einer
tosenden Stromschnelle abgegrenzt 1). Das jenseitige (linke)
Ufer stieg ziemlich steil - an und gipfelte in einen Hügelrücken
aus, der gegen 200' über dass Flussbett emporragte. Die Abhänge
dieses Hügels waren mit dichtem Hochwald bedeckt, und die
terrassenartig sich übereinander aufthürmenden Baumkronen in
all ihren verschiedenen Farbentönen vom dunkelsten Grün bis
in Gelb und Roth gewährten einen geradezu überraschend schönen
Anblick.
Das rechte Ufergebiet des Flusses ist ziemlich eben, da es
durch eine etwa 20' über dem Flusse liegende Terrasse gebildet
wird. Hart am Rande dieser Letztem, inmitten von schlecht
unterhaltenen Reis- und Maniokfarmen, lag B a v ia , das wie die
') Siehe die Vignette zu Anfang dieses Capitels.
meisten derartigen Negerplätze den stolzen Namen von town
(Stadt) keineswegs verdiente. Baviä war damals ein kleiner
Platz von zwölf bis fünfzehn theils /kreisrunden, theils ovalen
Lehmhütten mit dichtschuppigen Dächern von Baumblättern.
Mitten auf dem kleinen, öffentlichen Platze befand sich, beschattet
von einem Rothholzbaum, auf drei nebeneinander in
den Grund gerammten Pfählen, der Stadtfetisch, ein gewaltiger
Felsblock, der als Schutzheiligthum der Stadt angesehen wurde.
Gleich neben , diesem Heiligthum befand sich unter einem verwahrlosten
Schutzdache von Palmblättern das Grab des frühem
Häuptlings. Auf der ändern Seite stand das sogenannte Palaverhaus,
ein ovaler,, etwas, über dem Erdboden erhabener, aus
zusammengestampftem Thon bestehender und durch ein auf
Pfählen ruhendes. Dach beschützter Platz, woselbst der Häuptling,
in einer Hängematte sitzend oder liegend, die öffentlichen
Verhandlungen leitete *).
Zoeu Dubbah, so hiess dieser Häuptling, war ein alter Graukopf
mit verschmitzt aussehendem Gesicht, das durch den schwachen,
kurzgeschorenen Schnurrbart und ein kleines, sorgfältig gepflegtes
Kinnbärtchen, sowie durch ein Paar stechende Augen und eine
kleine Habichtsnase mit stark herabgezogener Spitze einen nicht
gerade vertrauenerweckenden Ausdruck erhielt. Er sprach ziemlich
geläufig Englisch, pflegte sich selbst stets König zu nennen und
konnte nie müde werden, uns von seiner hohen Abkunft, von
seiner Macht und seinem Einflüsse zu überzeugen, wobei er stets
mit der stereotypen Redensart schloss: „All this country belongs
to me!” s) Z oeu Dubbah hatte in seiner Jugend bei einem damals
in Monrovia sich aufhaltenden Franzosen etwas Französisch
gelernt und that sich nicht wenig darauf zu Gute, uns in
Gegenwart seines Hofstaates dann und wann einige Proben von
übriggebliebenen französischen Brocken zum Besten zu geben.
Wie er uns mit grossem Selbstbewusstsein erzählte, war er in
') Nach kürzlich von Mr. Day eingelaufenen Berichten ist seither der
damalige Häuptling gestorben, die Bevölkerung hat sich zerstreut und die
Stadt hat das Schicksal fast aller derartiger Plätze ereilt: Sie ist bis auf
einige wenige elende Hütten vom Schauplatze verschwunden.
2) Diese ganze Q-egend gehört mir.
LIBERIA, I , 8