zahlreicher Ameisen kaum ein lebendes Wesen zu erblicken und
kein Laut zu hören war. Wir kamen* denn auch nach einigen
Stunden ganz abgemattet zur Mission zurück und liessen uns
die durch Mrs. Day kredenzte Limonade köstlich schmecken.
Den Rest des Tages verbrachte ich, da ich meinen Gastherrn
an diesem Tage der Ruhe nicht allzusehr in Anspruch nehmen
wollte, mit dem Aufzeichnen meiner Tagebuchnotizen und der
Erledigung einiger Correspondenzen, wozu ich in Monrovia nicht
Zeit gefunden. Mr. Day hatte mir zu diesem Zwecke sein kühles
Arbeitszimmer eingeräumt. Ich war höchst angenehm überrascht,
daselbst in seinem reich besetzten Bücherschränke eine Sammlung
der vorzüglichsten Werke über Affikareisen vorzuflnden. Unsere
Gastfreunde zeigten sich überhaupt als Leute von mehr als alltäglicher
Erziehung, die sich trotz ihrer Abgeschiedenheit von der
gebildeten Welt auf dem Laufenden zu erhalten wussten und,
wie die Conversation ergab, auf den verschiedensten Gebieten zu
Hause waren. Mr. Day , dem seine Gattin ebenbürtig zur Seite
steht, hat seine Aufgabe meiner Ansicht nach sehr richtig erfasst
und versteht es wie nur Wenige, derselben in jeder Art gerecht
zu werden. Er vereinigt mit seiner allgemeinen Bildung einen
durch reiche, langjährige Erfahrung p geübten, praktischen Blick
und scheint in seiner' philantropischen Thätigkeit ganz und gar
aufzugehen. Die Hauptsache ist bei ihm nicht, dem Neger um
jeden Preis das, Christenthum aufzudrängen, auch nicht, aus
seinen Zöglingen Gelehrte zu machen, sondern dieselben zu geregelter
Arbeit anzuhalten, sie aus ihrem angebomen Faullenzerthum
herauszureissen und zu nützlicher, lohnender Thätigkeit
anzuregen. Seine ganze Station bietet das Bild eines glücklichen ,
in jeder Hinsicht wohlgeordneten Familienlebens, einer Musterwirtschaft,
deren wohltätiger, sittlicher Einfluss sich viel weiter
als nur in der nächsten Umgebung fühlbar macht. Um seine
Zöglinge - Kinder von Eingebornen, meist aus dem Stamme
der Golah — nützlich zu beschäftigen, hat Mr. Day auf dem
grossen, ihm von der liberianischen Regierung abgetretenen Areal
i) Mr. und Mrs. Day befinden sieb seit 1874 auf dieser Station, gehen
aber, wenn ihre Gesundheit es erfordert, von Zeit zu Zeit nach Amerika.
ausser den Reis-, Maniok- und Batatenfeldern u. s. w., welche die
Lebensmittel für den eigenen Bedarf der Mission liefern, eine
Kaffeepflanzung angelegt,, die nach und nach zu einer der schönsten
im ganzen Lande angewachsen ist. Durch eine umsichtige Leitung
hat er es sogar so weit gebracht, dass der Ertrag der Pflanzungen
nicht allein die Unterhaltungskosten der Station deckt,
sondern es zugleich ermöglicht, ab und zu Reisen nach dem
Innern zu unternehmen und weniger günstig situirte Schwestermissionen
zu unterstützen. Jetzt, acht Jahre nach unserm ersten
Besuche, hat Mr. Day ein so grosses Arbeiterpersonal herangebildet,
dass er, um es lohnend beschäftigen zu können, eine
grosse Zuckerplantage angelegt und zum Zwecke einer rationellen
Verarbeitung des Rohproduktes die nöthigen Maschinen mit
Dampfbetrieb aus Amerika bezogen hat.. Der Reingewinn wird
nach Verhältniss der Leistungen unter die Arbeiter vertheilt. Bis
weit in’s Innere hinein ist Mr. Day wohlbekannt, und die-Eingebornen
nennen ihn mit einer gewissen Ehrfurcht, da er es verstanden
hat, ihnen sowohl durch energisches Auftreten und strenge
Rechtlichkeit zu imponiren, als. durch herzgewinnende Freundlichkeit
ihr Vertrauen zu erwerben. Ueberdies trägt seine Stellung
als Missionär sehr viel dazu bei, selbst den heidnischen Eingebornen
Respekt einzuflössen. Man betrachtet ihn eben als Diener
eines Gottes, den man für mächtiger hält, als die Götter der
Fetischpriester, und als solcher geniesst er die Achtung der Eingebornen
in hohem Grade1).
Um der angebornen, grossen Trägheit der Eingebornen nicht
Vorschub zu leisten, giebt er prinzipiell kein Almosen, doch
Jeder, der durch Mangel getrieben zur Mission kommt, findet dort
Gelegenheit, sein Brod durch Arbeit zu verdienen. Nach all dem
Gesagten brauche ich wohl kaum mehr zu erwähnen, dass wir
von Mr. und Mrs. Day manche nützliche Verhaltungsmassregel
mit auf den Weg nahmen, die uns später oft sehr wohl zu
statten kam.
Am Abend wurde das Gespräch auf die Thierwelt dieser
’) „For Mm be Q-od-man”, wie sie sich in ihrem corrumpirten Englisch
auszudrücken pflegen (wörtlich: „denn er sein Mann Gottes”).