Schon lange hat man die Akklimatisationsfrage nach allen
Richtungen hin erörtert, ohne bis dahin zu einem einheitlichen
Resultate gekommen zu sein.x) Auf kompetenter Seite ist man
jedoch gegenwärtig so ziemlich darüber einig, dass für den Europäer,
besonders den Angehörigen der blonden Rasse, von einer
eigentlichen Akklimatisation keine Rede sein kann, ja dass es
sogar sehr fraglich ist, ob eine zweite oder dritte Generation
von in jenen Gegenden geborenen Weissen sich dem dortigen
Klima hinreichend anpassen könnte. In Holländisch-Indien wenigstens
hat man 'nachgewiesen, dass die dort ansässigen Nordeuropäer
bereits in der dritten Generation aussterben und
stets durch neue Ankömmlinge ersetzt werden müssen. Dieser
Umstand ist selbstverständlich ein höchst fatales Hindemiss, an
dem die ganze Colonisationsfrage für das tropische Afrika, die
gerade gegenwärtig die Gemüther mehr als je bewegt', zu scheitern
droht. Gesetzt aber, dass der Europäer wirklich mit der
Zeit seine Transpirationsorgane, sowie Leber und Milz, die dabei
hauptsächlich in Mitleidenschaft gezogen werden, einigermassen
den hohem Anforderungen des Tropenklima’s akkomodiren könnte
— der dort hausenden Malaria wird er wohl niemals entgehen,
denn eine Immunität gegen diese lässt sich auch durch die
geregeltste Lebensweise und langen Aufenthalt nicht erwerben.
Das beweisen wohl am deutlichsten die aus Amerika eingewanderten
Neger (gewesene Sklaven) und Mulatten. Obschon theils
in Afrika selbst geboren, theils in Amerika geborene Abkömmlinge
von solchen, sind sie selbst nach langjährigem Aufenthalte
in Liberia keineswegs fieberfrei, und auch ihre in Liberia geborenen
Nachkömmlinge werden durch die Malaria nicht verschont.
Schon lange gilt daher auch dort die auf der ganzen Westküste
des tropischen Afrika allgemein angenommene Norm, dass
der Weisse je nach drei Jahren Aufenthalt für wenigstens ein
halbes Jahr nach Europa, resp. nach Amerika, zurückzukehren
habe, um dort seine geschwächte Gesundheit wieder zu stärken.
’) Siehe unter ändern G u s ta v L e ip o l d t , die Leiden .des Europäers im
afrikanischen Tropenklima und die Mittel zu deren Abwehr. Leipzig, 1887,
Verlag von Du n k l e r und H um b lo t .
Sämmtliche Handelsfirmen und Missionen an der Küste Liberia’s
haben dies zum festen System gemacht; wem es aber die Mittel
und Umstände erlauben, der wird nur zwei aufeinanderfolgende
Jahre an der Küste verweilen. Freilich giebt es ausnahmsweise
auch Leute, die es viel länger ohne diese Erholung aushalten,
doch darf dies keineswegs als absoluter Beweis einer bessern
Akklimatisationsfähigkeit angenommen werden, da (Üb lange Hinausschieben
einer Erholungskur sich in den meisten Fällen bitter
rächt, ja oft sogar mit dem Leben bezahlt werden muss. So starb
vor zwei Jahren der Franzose Verdier, der etwa zehn Jahre
ununterbrochen auf seiner Kaffeeplantage am Cap Palmas gelebt
hatte, unmittelbar nach der Ankunft in seiner Heimat, wohin er
sich zur Herstellung seiner angegriffenen Gesundheit begeben hatte.
Solcher Beispiele giebt es ausserdem noch mehr als genug.
Wenn nun auch das Klima von Liberia kein gesundes genannt
werden darf, so verdient es doch immerhin, wie ich glaube, den
Vorzug vor demjenigen von Lagos, des Nigerdelta’s , der Küste
von Calabar und der Kamerun-Niederungen. Das Sumpffieber,
das in jenen Gegenden seine Geissel schwingt und in unglaublich
kurzer Zeit den Tod herbeiführen kann, tritt hier, wenn
auch oft sehr hochgradig, doch niemals so perniciös auf, wie
dort, und es ist mir von den zahlreichen Sterbefällen unter
Weissen in Liberia kein einziger bekannt, in dem der Kranke
dem ersten besten heftigen Anfälle erlegen wäre. Das Sumpffieber
in Liberia ist vielmehr mit dem steten Tropfen zu vergleichen,
das endlich den Stein aushöhlt, es sei denn, dass irgend ein organischer
Fehler, den der Betreffende aus Europa mit an die
Küste brachte und dem er wahrscheinlich auch zu Hause früher
oder später erlegen wäre, unter dem Einflüsse des Tropenklimas
und der veränderten Lebensweise sich rasch hochgradig entwickelt,
die Widerstandskraft herabsetzt und dem verderblichen
Einflüsse des Fiebers zu Hülfe kommt. Andererseits aber verschwindet
dort die Disposition zu verschiedenen Leiden, wie
Lungenschwindsucht und andere Krankheiten der Luftwege, die
in Europa mit Recht zu den gefährlichsten gerechnet werden und
alljährlich Tausende von Opfern im besten Alter fordern. Ueberdies
sind in diesen Gebieten viele Uebel, die in Europa endemisch