Cambama verdient, wie die meisten dieser Negerresidenzen,
keineswegs den landesüblichen Namen town (Stadt), und man würde
überhaupt besser thun, alle diese Orte Dörfer zu nennen. Wie
die meisten der auf dieser Reise gesehenen Plätze, ist Cambama
ein armseliges Nest von halb verfallenen, kreisrunden,ovalen und
viereckigen Hütten mit Lehmwänden und Dächern von Palmblättern.
Einen angenehmen Contrast zu den traurig aussehenden
Wohnungen bildeten die stets sauber gehaltenen freien Plätze
zwischen den Häusern, sowie die beinahe peinliche Sauberkeit,
die in diesen letztem selbst herrschte.
Ich fand viel Elend in diesem Dorfe; die Leute litten Hunger
und Manche, unter Ändern auch der Häuptling George Gray, ein
Mann, der lange auf französischen Fahrzeugen gedient hatte und
daher etwas Französisch sprach, hatten sich aus Furcht vor feindlichen
Ueberfällen geflüchtet. Der Krieg, oder besser gesagt, die
seit langen Jahren fast regelmässig sich wiederholenden Ein-m.np
räuberischer Nachbarstämme, hatten diese schöne Gegend ruinirt,
und Armuth, Hunger und gänzliche Muthlosigkeit herrschten
nun unter den Bewohnern dieser von der Natur so reich gesegneten
Landschaft.
Die ersten zwei Tage nach unserer Ankunft wurden uns durch
anhaltenden Regen verdorben. Da es nicht in meiner Absicht
lag, schon in Cambama einen längern Aufenthalt zu machen,
so warteten wir den ersten trockenen Tag ab, um unsere Reise
landeinwärts, und zwar diesmal zu Fusse, fortzusetzen. Einige
meiner Bedienten, begleitet von einem Führer aus Cambama,
trugen in ihren Tragkörben Bagage und Proviant; ich und
mein rother Jäger marschirten hintendrein. Bevor ich jedoch zu
der Beschreibung dieses ereignissarmen Zuges übergehe, möchte
ich meinem liberianischen Jäger, der mich nach dem Tode Sala’s
auf allen grössern Jagdzügen begleitete und mir als getreuer
Eckhard zur Seite stand, einige Worte der Erinnerung widmen.
J ackson Demery, in der ganzen Gegend kurzweg (Ae red J ackson
(der rothe J ackson) genannt, wurde in Nord-Carolina, einem
der Sklavenstaaten Amerika’s, geboren. Seine Mutter war eine
Mulattin, während sein Vater ein rothbärtiger Irländer gewesen
sein soll. Für die Echtheit dieses Stammbaums zeugten denn
auch seine helle Hautfarbe, sein blondes, weiches Haar und sein
rother Bart. Mit einer Anzahl farbiger Ansiedler nach Liberia
ausgewandert, erwarb -er sich dort durch jahrelanges Reisen als
Händler für verschiedene Faktoreien, sowie durch seine vielen
Jagdzüge eine erstaunliche Kenntniss verschiedener Theile des
Inlandes, seiner Bewohner und von deren Sprachen und Sitten. Er
hatte grosse Routine in der Manier, die Eingebornen zu behandeln
und war unerschöpflich in derben Spässen und Witzen, wie sie
eben den Eingebornen Zusagen. Kamen wir nach irgend einem
Negerdorfe, und war es auch noch so abgelegen, so hiess es
gleich: „Eh, Jacky, bist du da? Wir haben dich lange nicht
gesehen, u. s. w.” Wo auch Jackson sich unter den Eingebornen
zeigte, da entstand Leben und Fröhlichkeit; die Weiber wurden
nicht müde, sich mit ihm herumzureissen, und auf seinen rothen
Bart wurden sogar Lieder gedichtet. Als Jäger und Begleiter
war mir J ackson unbezahlbar. Wo der weisse Jäger nicht mehr
weiter kam, da wusste er Rath. Er jagte stets barfuss und
trug überhaupt nur Schuhe in den Küstenplätzen, in der country
nie. Seine Bewaffnung bestand aus einem alten Vorlader-
Infanteriegewehr, und statt Schrot, Posten oder Kugeln lud er
gewöhnlich, nach der Weise der Eingebornen, Stücke von zerschlagenen
eisernen Kochtöpfen. Diese Stücke, sagte er scherzend,
wenn ich darüber lachte, schneiden viel schöner ins Fleisch, als
all Ihre Posten und Kugeln. Ein Jagd- d. h. Fleischermesser an
der Seite und ein leinener Schnappsack vervollständigten seine
Ausrüstung. Wir giengen nicht immer zusammen aus; jeder gieng
meist seine eigenen Wege, und dann geschah es bisweilen, dass
ich ihn einen ganzen Tag, ja zwei Tage lang nicht sah, da er
sich um nichts kümmerte und seine Jagdzüge über grosse Gebiete
ausdehnte. Trotzdem nahm er nie Proviant mit: einige Blätter
Tabak zum Kauen und einige Kolanüsse, die er im Walde fand,
waren Alles, was er nöthig hatte, und für eine gelegentliche
Herzstärkung hätte er eine ganze Mahlzeit hingegeben. Er konnte
überhaupt einen guten Tropfen vertragen, doch habe ich ihn nie
betrunken gesehen. Im Finden von Thierfährten war er ein
wahrer Indianer, und zudem hatte er eine bewunderungswürdige
Orientirungsgabe. Stiess er auf irgend eine Fährte, z.B. diejenige