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aber stelle, als ob er diese Sprache nicht verstehe. Trotz dieses
Verdachtes hielt man es indessen für gerathener, ihm die üblichen
Geschenke für seinen Herrn mitzugeben, um denselben für die
anzuknüpfenden Handelsbeziehungen geneigt zu machen. Man
dürfte nun wohl fragen, warum wir die Gelegenheit nicht benutzt,
uns diesen Leuten anzuschliessen, um unter ihrer Führung ohne
Mühe bis tief .in’s Innere zu gelangen. Das wäre jedoch leichter
gesagt als ausgeführt. Abgesehen davon, dass man dem soi-disant
Gesandten nicht recht traute, würde eine mehrtägige Fussreise
mit grösser Bagage, selbst in dem Falle, dass wir eine hinreichende
Anzahl Träger wirklich hätten auftreiben können, eine
sehr kostspielige Unternehmung gewesen sein; überdies aber ist
solches Reisen sehr zeitraubend und unsicher, da man von jedem
Negerfürsten, durch dessen Land man zieht, im Voraus die
Erlaubniss durch reiche Geschenke erkaufen muss, worüber oft
Wochen, ja Monate vergehen können. Wären nun geographische
Untersuchungen unser Ziel gewesen, so hätte ich mich wahrscheinlich
doch in jenem Sinn entschieden; zum Zwecke zoologischer
Untersuchungen aber fand ich einen solchen Zug nicht
wünschenswerth. Auf die Bitte des liberianischen Staatsministers
hatte ich dem Gesandten mit seinem Gefolge Passage in unserm
Boote gewährt, und wir mussten nun an das andere Flussufer
fahren, um die Leute bei dem Dorfe Virginia abzusetzen, von wo
aus sie dann den Landweg nach Boporo einzuschlagen hatten.
Von Virginia gieng es dicht am rechten Ufer entlang nach
der liberianischen Ansiedlung Clay Ashland. Das Wasser des
Flusses war zu dieser Jahreszeit ziemlich hell und hatte bis in
die Nähe der Stromschnellen von Millsburg nur geringes Gefälle;
wohl aber trieben wir, da wir gerade die günstigste Tageszeit
getroffen hatten, mit der eindringenden Meeresfluth mächtig
stromaufwärts.
Etwas nach 12 Uhr erreichten wir Clay Ashland und giengen
an’s Land, um unsere boys ihren Reis kochen zu lassen. Inzwischen
sahen wir uns in dem säubern Pflanzerdörfchen mit seinem
einfachen Kirchlein und den zerstreut stehenden Farmerhäuschen
■ etwas um, besuchten die sehr gut unterhaltene, in der Nähe
gelegene Kaffeeplantage von Mrs. J ohnson und traten dann,
Kühlung suchend, unter die Piazza (Veranda),, der dazugehörigen
hübschen , aus Backsteinen gebauten und weissgetünchten Farmerwohnung1).
Die anwesende Besitzerin, eine hebenswürdige
Mulattin, erfrischte uns mit Limonade s) und fühlte sich sehr
geschmeichelt, als ich mich voll Lobes über die für dortige
Verhältnisse reiche Ausstattung der Räume und die grosse Reinlichkeit
und Nettheit äusserte, die bei einem Gange durch das
Haus überall zu finden war.
Nach einstündigem Aufenthalte verliessen wir Clay Ashland,
neben dessen Landungsplätze ein auf der Seite liegendes, halb
verrostetes, kleines Dampfboot an die gute alte Zeit erinnerte,
in der es noch den Verkehr zwischen Monrovia und den Ansiedlungen
am St. Paul vermitteltes). Die Fahrt stromaufwärts war
äusserst interessant, trotz der Sonne, die ihre glühenden Strahlen
unbarmherzig auf uns Ankömmlinge niedersandte. Weit hinauf
behält der Strom dieselbe Breite und wird von einfachen, aber
malerischen Uferlandschaften eingerahmt. Eine Kaffeeplantage
•reiht sich hier an die andere, und von den sanften Anhöhen
herunter, welche den Fluss zu beiden Seiten flankiren, schauen
freundliche, weissgetünchte Farmerhäuschen herab. Unsere Fahrt
verlangsamte sich in dem Maasse, wie die Stauung des Wassers
durch das Zurücktreten der Meeresfluth sich verringerte und das
natürliche Gefälle des Flusses auf diese Weise wieder zunahm,
und als gar die Fluth gänzlich nachgelassen hatte und das Gefälle
durch den Eintritt der Ebbe also doppelt wirksam wurde,
erforderte es meine ganze Ueberredungsgabe und ein in stets
kürzern Pausen wiederholtes Kreisen des Branntweinbechers, um
die Ruderer zu erneuter Thätigkeit anzufeuern. Mr. Day hatte
uns mit seinem schnellfahrenden Canoe schon längst eingeholt
') Mrs. J o hnson wird jedem Weissen, welcher Monrovia besucht und Gelegenheit
findet, einen Ausflug'nach dem St. Paul’s River zu machen, durch
ihre Liebenswürdigkeit und unbeschränkte Gastfreiheit in angenehmer
Erinnerung bleiben.
s) Zuckerwasser, in das der Saft der dort wachsenden Limone gepresst wird.
3) In neuester Zeit ist durch einen Liberianer ein neues Dampfboot für
diesen Verkehr gebaut worden, zu welchem Mr. Da y die Dampfmaschine
geliefert hat.