Sandimäny, die nun 40 bis 45 Jahre zählen mochte, war seit
unserer letzten Begegnung etwas korpulent geworden, aber
trotz ihrer Körperfülle, die bis an die Lenden hinunter unverhüllt
zu Tage tr a t, war sie noch immer eine stattliche Frau zu
nennen, was man von Negerinnen ihres Alters nur selten sagen
kann. Yor meiner Abreise wusste ich sie zu überreden, sich,
mit zahlreichen silbernen und ändern Kleinodien geschmückt,
zusammen mit ihrem Sohne Y akney und Sia t i , einem Söhnchen
ihrer Tochter, photographiren zu lassen. Leider ist mir auch
diese Platte zerbrochen, sowie eine andere, mit der Aufnahme
der langen, früher so baufälligen, jetzt aber neu hergestellten
Affenbrücke über den nahen Sumpf.
Schon früh am Nachmittage traten wirunsern Rückweg an
und fuhren ungemein rasch den schnellströmenden Japaca Greek
hinunter in den Morfi River. Hier schoss ich vom Canoe aus
einen sehr-seltenen Stummelaffen (Colobus verus), den ich während
meiner ganzen ersten Reise in Liberia vergeblich gesucht hatte.
Erst auf den vierten Schuss war das arme Thier so, verletzt:,
dass es, wiewohl noch lebend, aus dem Baum herunter "geholt
werden konnte. Die ganze Scene, die über eine halbe Stunde
dauerte, berührte mich selbst so peinlich, dass ich sie hier lieber
nicht beschreiben will und mir damals gelobte, ohne triftigen
Grund nie mehr auf einen Affen zu schiessen. Diesem Yorsatz
bin ich denn auch während meiner ganzen zweiten Reise stets
treu geblieben.
Am folgenden Tage (1. December) machten wir, ebenfalls im
Canoe, einen Ausflug nach Bendoo und Buluma. Der Häuptling
von Bendoo, Dadu Gbay , empfing uns sehr wphlwollend, und
seine head-woman, die mich gleich wieder erkannte, schlug die
Hände zusammen, als sie mich sah, stürzte auf mich zu und
schloss mich in Gegenwart ihres Herrn und Gebieters ;• in die
Arme. Yon allen Seiten kamen die Leute herbei, um mich zu
sehen. Nach alter Gewohnheit schritt ich auf mir bekanntem
Wege nach dem Hause, das ich einst bewohnt hatte, Dasselbe stand
noch da und war sogar, merkbar besser geworden, wie denn
überhaupt die Häuser nicht nur in Bendoo, sondern beinahe in
allen Plätzen, die ich im Yey-Lande zu besuchen Gelegenheit
hatte, seit dem Friedensschlüsse weit besser aussahen und einen
gewissen Wohlstand verriethen,, den-sie früher in den meisten
Fällen nicht kannten. Ueberall wurde jetzt Reis gebaut, und
die letzte Ernte hatte so viel eingebracht, dass manche Leute
nicht Raum genug hatten, um jenen zu bergen und ihn darum
zu allen möglichen Preisen loäzuschlagen suchten. Dadu Gbay
hatte eine reizende Töchter, auf die er besonders viel zu halten
schien. Ich fragte ihn scherzweise, wie viel ihm dieselbe wohl
einbringen müsse, worauf er mir allen Ernstes erwiederte, für
20 Dollars in baarem Gelde würde er sie mir überlassen, weil
er - mich gerne habe — for me like you plenty -- aber nur unter
der Bedingung, dass ich- bei ihm wohnen bleibe, denn seine
Frau lasse die Tochter nicht wegziehen.
Nach einer Stunde Aufenthalts fuhren wir weiter nach Hokhiö,
dessen Landungsplatz man schon aus weiter Ferne an einem kolos- ■
salen, durch den Blitz der obern Hälfte seiner Krone beraubten
Wollbaum erkennen konnte. Früher, als ich in Hokhiö stationirt
war, stand dort nebst unserm grossen Hause nur noch eine
runde- Lehmhütte, die durch einen Sohn des Häuptlings Yey
J ohn in Monrovia bewohnt wurde. Jetzt aber schien die einstige,
vom Erdboden verschwundene Königsstadt verjüngt wieder auferstanden
zu sein. Am Platze des grossen, nun abgetragenen
Hauses, das ich früher bewohnte, standen jetzt acht stattliche
Lehmhütten, und rund herum hatten die Leute grosse Maniok-
und Reispflanzungen angelegt. Ohne uns lange aufzuhalten,
giengen wir weiter nach Buluma , wo der Häuptling Kay Gbay
mich, alle Etikette vergessend, umarmte, und einige seiner
Weiber in der ersten Freude mir weinend an den Hals sprangen.
Ehe ich mich dessen versah, stand ich mitten in einem dichten
Knäuel von Menschen, die sich von allen Seiten herandrängten,
um mir die Hand zu drücken. Auch ich war angesichts dieser
ungekünstelten Freude des Wiedersehens so bewegt, dass es.
mich einige Mühe kostete * meine eigenen Thränen zurückzuhalten.
Was. hatte ich denn eigentlich früher gethan," dass mir alle
diese Leute eine solche ■ Anhänglichkeit bewahrt hatten ? Eigentlich
weiss ich es selbst nicht zu sagen. -Ich war freundlich mit
ihnen, weil ich die meisten davon gerne leiden mochte; ich