gehalten, wie in England oder Amerika. Warum sollte er auch
nicht, in einem Lande, wo die Natur seihst schon einschläfernd
auf den Organismus wirkt und wo man ziemlich allgemein dem
Worte: „Ruhe ist des Bürgers erste Pflicht” eine dem trägen
Sinn der Bevölkerung entsprechende Deutung zu gehen pflegt?
Alle Faktoreien sind geschlossen, alle Geschäfte stehen still, der
civilisirte Liberianer steckt sich in seinen Sonntagsschmuck und
geht zur Kirche oder verträumt den Tag zu Hause. Auch der
Krooman ist an diesem Tage frei und pflegt, ohschon er sich
mit seinem Fetischdienste dem Christenthum gegenüber bis jetzt
„kühl bis an’s Herz hinan” verhalten hat, der Sonntagsruhe
mit einem Wohlbehagen und einer Würde, die einem guten
Gläubigen alle Ehre machen würde.
Einer der anwesenden Männer kommt auf mich zu und reicht
mir die Hand, mich in dem diesen Leuten eigenthümlichen
Englisch einladend, in sein Haus zu treten und etwas auszuruhen.
Ich bin über dieses etwas zudringliche Entgegenkommen
des hosenlosen Gentleman nicht wenig erstaunt, da ich mich
nicht erinnere, ihn je zuvor gesehen zu haben. Es stellt sich
aber heraus, dass es Jack after supper, der Hauptmann (headman)
des Bootes ist, mit den uns Herr W igm a s von Bord holte. Wer
sollte aber von einem Neulinge verlangen, dass er gleich ein
'Negergesicht von dem ändern unterscheidet? Das ist geradezu
unmöglich, und man hat auch später, nachdem man sich schon
etwas gewöhnt hat, Verschiedenheit in den erst ganz gleich
aussehenden Gesichtern zu finden, noch oft genug seine liebe
Noth, ein A i n m a .1 gesehenes, wenn auch noch so markantes
Gesicht zwischen den vielen ändern gleich wieder herauszufinden.
Alle haben sie ja die gleiche Farbe, das gleiche platte, fettglänzende
Gesicht, das gleiche von den Stirnhaaren bis auf die Nase
reichende, dunkel blaugrüne Stammeszeichen, und an den Kleidern,
d. h. an dem um die Hüften geschlagenen Taschentuche, den
zahlreichen Elfenbein- und Kupferringen an den nackten Armen
und Beinen und den Strumpfbändern, zu welchen regelmässig
die Strümpfe fehlen, sind sie ebensowenig leicht zu erkennen.
Mit diesem meinem Cicerone also sah ich das Innere seiner
Hütte genauer an. Allo diese Häuschen sind ungefähr nach
demselben Modell gebaut,' nur das eine etwas grösser und
comfortablei von Innen, das andere kleiner und ärmlicher. Alle
haben eine rechteckige Form; das Dach, ähnlich wie unsere
Strohdächer, aber aus Palmblättern hergestellt,- ruht auf einem
einfachen Gerüste von in den Grund gerammten Pfählen, und
die vier Wände bestehen aus einem mattenartigen, sehr soliden
Flechtwerke von der Rinde der grossen Palmblattschäfbe. Eine
nicht sehr hohe Thüröffnung, die des Nachts durch eine von
innen vorschiebbare, starke Matte verschlossen werden, kann,
dient als Thüre und ist oft die einzige Oeffhung, die zugleich
als Thüre, Fenster und Schornstein dienen muss. Besser eingerichtete
Hütten besitzen freilich auch eine oder zwei, wenn auch
noch so kleine, Fensteröffnungen, und in diese Kategorie gehörte
auch diejenige, welche ich nun zu betreten die Ehre hatte. Sie war
von innen vertheilt in einen Wohnraum und ein Schlafkabinet.
In dem grossen Wohnraume sah es kahl genug aus. Keine Matte
bedeckte den aus festgestainpftem Lehm bestehenden Fussboden,
und ausser einigen halben Stücken Rundholz, die den Tag über
als Stühle, des Nachts als Kopfkissen dienen, war kaum etwas
zu sehen, als ein Häufchen Asche mitten im Raume, das die bei
Regenpmmer, bei schönem Wetter nur des Nachts, benutzte
Feuerstätte andeutete. Im Schlaffajime, der jedoch nur durch
den Herrn des Hauses mit einer seiner Gemahlinnen benutzt
wird, herrschte jedoch ein für die Verhältnisse dieser Leute ganz
bedeutender Comfort. Ein ungemein zierlich aus Palmwedelstielen
konstruirtes Bettgestell, mit säubern Matten und inländischen,
schweren Baumwollstoffen bedeckt, wurde mir als Ruhebank
angewiesen. An den Wänden standen einige sorgfältig verschlossene
Kisten und Koffer, die Vorräthe und Schätze des
Hausherrn enthaltend, und im Lichte der zierlich eingefassten
Fensteröffnung fand ich, dass der Mann auf kunstsinnige Weise
seine vier Wände mit Bilderbogen aller Art bekleidet hatte,
wobei mir eine stark ausgesprochene Vorliebe für schöne, etwas
tief decolletirte weisse Damen nicht entgehen konnte. Der gute
Mann, wer könnte ihm diese Marotte übel nehmen? Doch auch
diese Dekoration ist seither (1883) in einem grossen Brande,
der die ganze Krootown in Asche legte, zu Grunde gegangen.